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VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts
schnitte aus den Annalen und der Kirchengeschichte deutlich, wie Michel Sot am
Beispiel der Darstellung des Erzbischofs Seulf zeigen konnte743. Für Flodoard
gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen seiner inneren Haltung und seiner
Geschichtsschreibung. Wechselnde Ansichten und abweichende Meinungen
dokumentiert er. Flodoard weiß selbst nicht genau, wer der richtige Erzbischof
zu welcher Zeit war und warum. Dies spiegelt sich in seiner schriftlichen Ver-
arbeitung des Falls wider, er konstruiert nicht wie andere Geschichtsschreiber
einen „guten" und einen „bösen" Bischof. Doch hat er offenbar sehr genau
überlegt, welche Titel er für die jeweiligen Prätendenten verwenden soll und dies
auch konsequent durchgehalten744.
Flodoard hat im Gefolge des Erzbischofsanwärters Artold an der Synode von
Ingelheim 948, auf der der Fall Hugo und Artolds verhandelt worden ist, teil-
genommen. Seine Darstellung in der Historia hat er zwar erst im Anschluss
verfasst, er war jedoch auch an der Abfassung der Verteidigungsschrift Artolds
(Libellus Artoldi) beteiligt. Seine Darstellungsweise und Wahrnehmung des
Falls muss daher auch mit den synodalen Quellen abgeglichen werden, die eine
andere Perspektive auf den Konflikt bieten könnten. Es ist methodisch auf-
schlussreich zu sehen, wie Flodoard vor dem Hintergrund der eigenen Erfah-
rungen ein Absetzungsverfahren aus der Vergangenheit präsentierte, mit dem
Ebo-Fall hatte er die Aufgabe, eines der prägendsten Ereignisse der Reimser
Geschichte der letzten 100 Jahre zu erzählen.
2. Ein neuer Ebo? Der Fall Ebo in Flodoards Historia
Remensis Ecclesiae
Über Ebo selbst erfahren wir jedenfalls aus den Texten, die rund um seine Ab-
setzung entstanden sind, wenig. Aus seiner Amtstätigkeit sind uns zwar Ur-
kunden, Inschriften und Nachrichten erhalten, jedoch werden alle diese Zeug-
nisse erst durch den Reimser Kleriker Flodoard in den 960er Jahren in seiner
Reimser Kirchengeschichte745 zu einem Bild komponiert. Bei der Untersuchung
des Ebo-Falls in Flodoards Darstellung geht es im Folgenden nicht nur um die
Frage nach der Reproduktion von Wissen, wie sie zuletzt Patzold gestellt hat,
sondern auch um Flodoards Arbeitsweise und seine Aneignung und Verarbei-
tung der karolingischen Texte. Es wird zu überprüfen sein, ob die Abschrift und
Inserierung von Dokumenten automatisch die Reproduktion von Wissen be-
deutet, so wie Steffen Patzold zu Flodoard meint: „Indem er aber die Texte, die
ihm vorlagen, zum größten Teil wörtlich in seine Historia inserierte, reprodu-
743 Zu Seulf Sot, Historien, S. 251-59, Seulf und Heribert von Vermandois werden in den Annalen
neutral geschildert, erst in der Historia, die unter Artold und nach der Synode von Reims
geschrieben wurde, stellt Flodoard das Episkopat Seulfs als „Anfang vom Ende" dar.
744 Vgl. Jacobsen, Flodoard, S. 36 f. zu den Titeln, die Flodoard für Hugo und Artold verwendet.
745 Vgl. zur Darstellung Ebos Sot, Historien, S. 471-485, 511-517; Patzold, Episcopus, S. 353-357.
VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts
schnitte aus den Annalen und der Kirchengeschichte deutlich, wie Michel Sot am
Beispiel der Darstellung des Erzbischofs Seulf zeigen konnte743. Für Flodoard
gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen seiner inneren Haltung und seiner
Geschichtsschreibung. Wechselnde Ansichten und abweichende Meinungen
dokumentiert er. Flodoard weiß selbst nicht genau, wer der richtige Erzbischof
zu welcher Zeit war und warum. Dies spiegelt sich in seiner schriftlichen Ver-
arbeitung des Falls wider, er konstruiert nicht wie andere Geschichtsschreiber
einen „guten" und einen „bösen" Bischof. Doch hat er offenbar sehr genau
überlegt, welche Titel er für die jeweiligen Prätendenten verwenden soll und dies
auch konsequent durchgehalten744.
Flodoard hat im Gefolge des Erzbischofsanwärters Artold an der Synode von
Ingelheim 948, auf der der Fall Hugo und Artolds verhandelt worden ist, teil-
genommen. Seine Darstellung in der Historia hat er zwar erst im Anschluss
verfasst, er war jedoch auch an der Abfassung der Verteidigungsschrift Artolds
(Libellus Artoldi) beteiligt. Seine Darstellungsweise und Wahrnehmung des
Falls muss daher auch mit den synodalen Quellen abgeglichen werden, die eine
andere Perspektive auf den Konflikt bieten könnten. Es ist methodisch auf-
schlussreich zu sehen, wie Flodoard vor dem Hintergrund der eigenen Erfah-
rungen ein Absetzungsverfahren aus der Vergangenheit präsentierte, mit dem
Ebo-Fall hatte er die Aufgabe, eines der prägendsten Ereignisse der Reimser
Geschichte der letzten 100 Jahre zu erzählen.
2. Ein neuer Ebo? Der Fall Ebo in Flodoards Historia
Remensis Ecclesiae
Über Ebo selbst erfahren wir jedenfalls aus den Texten, die rund um seine Ab-
setzung entstanden sind, wenig. Aus seiner Amtstätigkeit sind uns zwar Ur-
kunden, Inschriften und Nachrichten erhalten, jedoch werden alle diese Zeug-
nisse erst durch den Reimser Kleriker Flodoard in den 960er Jahren in seiner
Reimser Kirchengeschichte745 zu einem Bild komponiert. Bei der Untersuchung
des Ebo-Falls in Flodoards Darstellung geht es im Folgenden nicht nur um die
Frage nach der Reproduktion von Wissen, wie sie zuletzt Patzold gestellt hat,
sondern auch um Flodoards Arbeitsweise und seine Aneignung und Verarbei-
tung der karolingischen Texte. Es wird zu überprüfen sein, ob die Abschrift und
Inserierung von Dokumenten automatisch die Reproduktion von Wissen be-
deutet, so wie Steffen Patzold zu Flodoard meint: „Indem er aber die Texte, die
ihm vorlagen, zum größten Teil wörtlich in seine Historia inserierte, reprodu-
743 Zu Seulf Sot, Historien, S. 251-59, Seulf und Heribert von Vermandois werden in den Annalen
neutral geschildert, erst in der Historia, die unter Artold und nach der Synode von Reims
geschrieben wurde, stellt Flodoard das Episkopat Seulfs als „Anfang vom Ende" dar.
744 Vgl. Jacobsen, Flodoard, S. 36 f. zu den Titeln, die Flodoard für Hugo und Artold verwendet.
745 Vgl. zur Darstellung Ebos Sot, Historien, S. 471-485, 511-517; Patzold, Episcopus, S. 353-357.