5. Diskussionen nach der Absetzung: Die Strategien Gunthars und Thietgauds
143
Nikolaus I. beanspruchte offensichtlich hier Handlungsvollmacht und er-
kannte die bischöflichen Argumente nicht an, da er nicht an einem Verfahren
interessiert war und ebenso wenig teilte er das fränkische Wissen vom Bi-
schofsamt und der Verantwortung der Bischöfe für den Körper den König. Somit
ist nicht nur eine Ausweitung auf die ecclesia mit der Bischofssynode verbunden,
sondern ein spezifischer Einsatz bestimmter Wissensbestände, die der Papst
nicht kannte oder zumindest nicht teilte. Es gab keine einheitlichen Vorgaben
und Vorstellungen davon, wie ein Verfahren auszusehen hatte (auch nicht in-
nerhalb der ecclesia). Es ist daher mehr als fraglich, ob die Beschlüsse vom Papst
bestätigt worden wären, wenn sie von einer gesamtfränkischen Synode verab-
schiedet worden wären.
5. Diskussionen nach der Absetzung: Die Strategien
Gunthars und Thietgauds
5.1. Persönliche Herkunft der beiden Metropoliten
Die beiden Metropoliten wehrten sich gegen die Absetzung. Die gewählten
Strategien sollen im Folgenden untersucht werden. Zunächst sollen aber kurz die
beiden Persönlichkeiten Gunthar und Thietgaud vorgestellt werden.
Gunthar von Köln war ein ohne Zweifel selbstbewusster und gebildeter
Mann559. Er entstammte ebenso wie sein Amtsbruder Thietgaud von Trier der
fränkischen Aristokratie und einer der so genannten Bischofsdynastien des Ka-
rolingerreiches560. Seine Familie hatte einige lotharingische Bischofssitze inne: er
war ein Bruder des Bischofs Hilduin von Cambrai561, Onkel Bischof Radbods von
Utrecht und Neffe Hilduins von St. Denis, des Erzkaplans Lothars I. Vermutlich
ist dieser Hilduin identisch mit dem vocatus archiepiscopus Hilduin von Köln, der
Gunthars Vorgänger auf der erzbischöflichen sedes war562.
Am 20. April 850 wurde Gunthar zum Erzbischof von Köln erhoben und
wenig später geweiht Er erhielt das Pallium von Nikolaus I. ungefähr 858/860.
855 ist er als Nachfolger Drogos von Metz zum summus capellanus Lothars II.
ernannt worden, dieses Amt verlor er nach seiner Absetzung563. Gunthar nahm
noch nach seiner Absetzung die Güterteilung innerhalb des Domkapitels vor
Synodalunterlagen und machte dies in einem Brief 867 an die ostfränkischen Bischöfe bekannt
(Nikolaus I., Briefe, Nr. 53 MGH Epp. 6, S. 347; Regest: RI 1,4,2 Nr. 863).
559 Fuhrmann, Propagandaschrift, S. 2.
560 Series Episcoporum V, 1, S. 15
561 Über dessen Einsetzung Gunthar in erbittertem Konflikt mit Hinkmar von Reims geraten sollte.
562 REK 1, Nr. 163. Ein Neffe Gunthars (oder der gleichnamige Bruder?), der wiederum den Namen
Hilduin trug, war der Kandidat Karls des Kahlen, den jener 871 als Erzbischof in Köln einzu-
setzen versuchte, jedoch ohne Erfolg gegen Ludwig den Deutschen und seinen Kandidaten
Wilibert. S. dazu unten.
563 Vgl. Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 32f. mit Anm. 174.
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Nikolaus I. beanspruchte offensichtlich hier Handlungsvollmacht und er-
kannte die bischöflichen Argumente nicht an, da er nicht an einem Verfahren
interessiert war und ebenso wenig teilte er das fränkische Wissen vom Bi-
schofsamt und der Verantwortung der Bischöfe für den Körper den König. Somit
ist nicht nur eine Ausweitung auf die ecclesia mit der Bischofssynode verbunden,
sondern ein spezifischer Einsatz bestimmter Wissensbestände, die der Papst
nicht kannte oder zumindest nicht teilte. Es gab keine einheitlichen Vorgaben
und Vorstellungen davon, wie ein Verfahren auszusehen hatte (auch nicht in-
nerhalb der ecclesia). Es ist daher mehr als fraglich, ob die Beschlüsse vom Papst
bestätigt worden wären, wenn sie von einer gesamtfränkischen Synode verab-
schiedet worden wären.
5. Diskussionen nach der Absetzung: Die Strategien
Gunthars und Thietgauds
5.1. Persönliche Herkunft der beiden Metropoliten
Die beiden Metropoliten wehrten sich gegen die Absetzung. Die gewählten
Strategien sollen im Folgenden untersucht werden. Zunächst sollen aber kurz die
beiden Persönlichkeiten Gunthar und Thietgaud vorgestellt werden.
Gunthar von Köln war ein ohne Zweifel selbstbewusster und gebildeter
Mann559. Er entstammte ebenso wie sein Amtsbruder Thietgaud von Trier der
fränkischen Aristokratie und einer der so genannten Bischofsdynastien des Ka-
rolingerreiches560. Seine Familie hatte einige lotharingische Bischofssitze inne: er
war ein Bruder des Bischofs Hilduin von Cambrai561, Onkel Bischof Radbods von
Utrecht und Neffe Hilduins von St. Denis, des Erzkaplans Lothars I. Vermutlich
ist dieser Hilduin identisch mit dem vocatus archiepiscopus Hilduin von Köln, der
Gunthars Vorgänger auf der erzbischöflichen sedes war562.
Am 20. April 850 wurde Gunthar zum Erzbischof von Köln erhoben und
wenig später geweiht Er erhielt das Pallium von Nikolaus I. ungefähr 858/860.
855 ist er als Nachfolger Drogos von Metz zum summus capellanus Lothars II.
ernannt worden, dieses Amt verlor er nach seiner Absetzung563. Gunthar nahm
noch nach seiner Absetzung die Güterteilung innerhalb des Domkapitels vor
Synodalunterlagen und machte dies in einem Brief 867 an die ostfränkischen Bischöfe bekannt
(Nikolaus I., Briefe, Nr. 53 MGH Epp. 6, S. 347; Regest: RI 1,4,2 Nr. 863).
559 Fuhrmann, Propagandaschrift, S. 2.
560 Series Episcoporum V, 1, S. 15
561 Über dessen Einsetzung Gunthar in erbittertem Konflikt mit Hinkmar von Reims geraten sollte.
562 REK 1, Nr. 163. Ein Neffe Gunthars (oder der gleichnamige Bruder?), der wiederum den Namen
Hilduin trug, war der Kandidat Karls des Kahlen, den jener 871 als Erzbischof in Köln einzu-
setzen versuchte, jedoch ohne Erfolg gegen Ludwig den Deutschen und seinen Kandidaten
Wilibert. S. dazu unten.
563 Vgl. Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 32f. mit Anm. 174.