16
I. Einleitung
lungswelt der Zeitgenossen einer Epoche zu erlangen12. Diese Studie verfolgt
einen vergleichbaren Zugang, um die Anwendung von Wissen über Bischöfe in
der politischen Kultur Westfrankens vom 9. bis zum frühen 11. Jahrhundert zu
untersuchen. Auch wenn die Erforschung der Bischöfe der Karolingerzeit und
der frühen Kapetingerzeit schon weit vorangetrieben worden ist, haben Bi-
schofsabsetzungen in ihrer politischen Komplexität bisher noch keine Berück-
sichtigung in der Forschung gefunden; das westfränkische Material bietet hierfür
jedoch sehr gute Bedingungen. Die Untersuchung des Zusammenhangs von
Wissen und politischen Praktiken stellt eine Weiterführung der Untersuchungen
zum Wissen über Bischöfe in einer neuen Perspektive dar. Mein Untersu-
chungsgegenstand ist in eine Reihe von Forschungsperspektiven eingebunden:
in die Politik- und Kirchengeschichte der Karolingerzeit, in die Erforschung von
Bischöfen sowie in die kulturwissenschaftlichen Zugänge zu Kultur und Politik.
Ich kann daher an einige wichtige Studien zu Bischöfen und zur politischen
Kultur des Frühmittelalters anknüpfen. Dabei verfolge ich einen kulturwissen-
schaftlichen und vorstellungsgeschichtlichen Ansatz, der von den Perspektiven
der Kulturgeschichte des Politischen geprägt ist. Ich greife dabei sowohl wis-
senssoziologische Überlegungen als auch Forschungen zu Gedächtnis und Ge-
meinschaft auf13.
Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die wichtigsten Perspektiven
für diese Arbeit gegeben werden, bevor ich die Methode und den Aufbau der
Arbeit vorstelle.
2. Forschungslage
2.1. Forschungen zu Bischöfen in der Politik der Karolingerzeit und
frühen Kapetingerzeit
2.1.1. Neubewertung von „Staatlichkeit" des Frühmittelalters und Bischöfen
als politischen Akteuren
Die Beschäftigung mit der politischen Kultur der Karolingerzeit insgesamt hat in
den letzten Jahren in der Forschung zunehmend Konjunktur14, mehr und mehr
12 Vgl. bes. Althoff, Spielregeln; Ders., Inszenierungscharakter.
13 Ich beziehe mich vor allem auf Alheydis Assmann und Ihre Unterscheidung in Funktions- und
Speichergedächtnis. Vgl. Assmann, Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis.
14 Forschungen zu „Staat" und „Staatlichkeit" des Frühmittelalters sind zahlreich, auf einen de-
taillierten Forschungsüberblick wird hier verzichtet. Ich beschränke mich in der Einleitung im
Folgenden auf die wichtigsten Forschungsfelder, die für meinen Ansatz relevant sind. Vgl. dazu
auch Kleinjung, Politische Ordnung, bes. S. 239-245. Für einen ausführlichen Überblick vgl. Pohl,
Staat und Herrschaft, S. 9-38. Letztendlich geht es darum, mit welchem methodischen Instru-
mentarium die Funktionsweisen frühmittelalterlicher Gesellschaften am besten erfasst werden
können. Aus der Fülle der Literatur sei vor allem auf die für diese Untersuchung relevanten
internationalen Unternehmungen hauptsächlich der englischen, französischen, niederländi-
I. Einleitung
lungswelt der Zeitgenossen einer Epoche zu erlangen12. Diese Studie verfolgt
einen vergleichbaren Zugang, um die Anwendung von Wissen über Bischöfe in
der politischen Kultur Westfrankens vom 9. bis zum frühen 11. Jahrhundert zu
untersuchen. Auch wenn die Erforschung der Bischöfe der Karolingerzeit und
der frühen Kapetingerzeit schon weit vorangetrieben worden ist, haben Bi-
schofsabsetzungen in ihrer politischen Komplexität bisher noch keine Berück-
sichtigung in der Forschung gefunden; das westfränkische Material bietet hierfür
jedoch sehr gute Bedingungen. Die Untersuchung des Zusammenhangs von
Wissen und politischen Praktiken stellt eine Weiterführung der Untersuchungen
zum Wissen über Bischöfe in einer neuen Perspektive dar. Mein Untersu-
chungsgegenstand ist in eine Reihe von Forschungsperspektiven eingebunden:
in die Politik- und Kirchengeschichte der Karolingerzeit, in die Erforschung von
Bischöfen sowie in die kulturwissenschaftlichen Zugänge zu Kultur und Politik.
Ich kann daher an einige wichtige Studien zu Bischöfen und zur politischen
Kultur des Frühmittelalters anknüpfen. Dabei verfolge ich einen kulturwissen-
schaftlichen und vorstellungsgeschichtlichen Ansatz, der von den Perspektiven
der Kulturgeschichte des Politischen geprägt ist. Ich greife dabei sowohl wis-
senssoziologische Überlegungen als auch Forschungen zu Gedächtnis und Ge-
meinschaft auf13.
Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die wichtigsten Perspektiven
für diese Arbeit gegeben werden, bevor ich die Methode und den Aufbau der
Arbeit vorstelle.
2. Forschungslage
2.1. Forschungen zu Bischöfen in der Politik der Karolingerzeit und
frühen Kapetingerzeit
2.1.1. Neubewertung von „Staatlichkeit" des Frühmittelalters und Bischöfen
als politischen Akteuren
Die Beschäftigung mit der politischen Kultur der Karolingerzeit insgesamt hat in
den letzten Jahren in der Forschung zunehmend Konjunktur14, mehr und mehr
12 Vgl. bes. Althoff, Spielregeln; Ders., Inszenierungscharakter.
13 Ich beziehe mich vor allem auf Alheydis Assmann und Ihre Unterscheidung in Funktions- und
Speichergedächtnis. Vgl. Assmann, Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis.
14 Forschungen zu „Staat" und „Staatlichkeit" des Frühmittelalters sind zahlreich, auf einen de-
taillierten Forschungsüberblick wird hier verzichtet. Ich beschränke mich in der Einleitung im
Folgenden auf die wichtigsten Forschungsfelder, die für meinen Ansatz relevant sind. Vgl. dazu
auch Kleinjung, Politische Ordnung, bes. S. 239-245. Für einen ausführlichen Überblick vgl. Pohl,
Staat und Herrschaft, S. 9-38. Letztendlich geht es darum, mit welchem methodischen Instru-
mentarium die Funktionsweisen frühmittelalterlicher Gesellschaften am besten erfasst werden
können. Aus der Fülle der Literatur sei vor allem auf die für diese Untersuchung relevanten
internationalen Unternehmungen hauptsächlich der englischen, französischen, niederländi-