XI. Die monastische Konstruktion
bischöflichen Fehlverhaltens
1. Fragestellung, Forschungsstand und Quellenlage
Den Schutz des Kirchenguts schrieben sich die Bischöfe ab der zweiten Hälfte des
9. Jahrhunderts selbst als eine ihrer Hauptaufgaben zu. Ihre Zuständigkeit dafür
formulierten sie eindrücklich in politisch brisanten Zeiten. Anlässlich des Ein-
marschs König Ludwigs des Deutschen in das Westfrankenreich seines Bruders
Karls 857/58 hatten die Bischöfe des Westreichs unter der Führung Hinkmars von
Reims ein Schreiben an Ludwig den Deutschen verfasst. In diesem Schreiben
informierten sie Ludwig über zentrale Merkmale des Bischofsamtes. Dazu ge-
hörte die bischöfliche Mahn- und Aufsichtsfunktion ebenso wie die apostolische
Nachfolge, aber auch die Leitung der Kirche und der Schutz des Kirchenguts.
Hinkmar von Reims formulierte 858 selbstbewusst, die Zuständigkeit über das
Kirchengut könne Ludwig den Bischöfen nicht übertragen, da sie es bereits be-
säßen1280.
Kurz Zeit zuvor, auf der Reichsversammlung und Synode von Quierzy 857,
hatte Hinkmar seine Collectio de raptoribus vorgelegt. Diese Sammlung von
kirchenrechtlichen Bestimmungen und Bibelstellen über den Umgang mit
Räubern von Kirchengütern sah geistliche und weltliche Strafen vor. Im Kapi-
tular von Quierzy präsentierte Karl der Kahle in deutlicher Parallele zeitgleich
ein mehrstufiges Verfahren, mit dem die raptores zur Rückgabe der in den Brü-
derkriegen entfremdeten Güter und zur Buße gebracht werden sollten. Das
Zusammenwirken der weltlichen und geistlichen Gewalten ist also auf dem
Gebiet des Kirchenguts gut zu beobachten. Doch am konkreten Umgang mit den
Gütern entzündeten sich immer wieder Konflikte. So betonte Karl der Kahle im
Konflikt mit Bischof Hinkmar von Laon, dass er als König souveräne Verfü-
gungsgewalt auch über das Kirchengut habe1281.
Genevieve Bührer-Thierry hat darauf hingewiesen, dass der Episkopat in
Westfranken in seiner Gesetzgebung (verstärkt nach Quierzy 857) zu Problemen
im Umgang mit Kirchengut Stellung bezieht. Damit hätte er schrittweise eine
symbolträchtige Aufgabe der karolingischen Herrscher in seinen Amtsbereich
übertragen. Dieser Prozess der Verschiebung der Zuständigkeit für den Schutz
des Kirchenguts vom königlichen Amt hin zum bischöflichen Amt setzte laut
Bührer-Thierry im westfränkischen Reich seit der Mitte des 9. Jahrhunderts
einF1282. Im Ostfrankenreich hingegen sei der Schutz der Kirchengüter Aufgabe
1280 S. Kapitel III.2. zum Synodalschreiben von Quierzy.
1281 Nelson, Not bishops' bailiffs, S. 137, 142.
1282 Bührer-Thierry, L'episcopat en Francie, S. 348: „un glissement des responsabilites qui s'opere de la
function royale vers la function episcopale"; vgl. Dies., Episcopat et royaute, S. 145.
bischöflichen Fehlverhaltens
1. Fragestellung, Forschungsstand und Quellenlage
Den Schutz des Kirchenguts schrieben sich die Bischöfe ab der zweiten Hälfte des
9. Jahrhunderts selbst als eine ihrer Hauptaufgaben zu. Ihre Zuständigkeit dafür
formulierten sie eindrücklich in politisch brisanten Zeiten. Anlässlich des Ein-
marschs König Ludwigs des Deutschen in das Westfrankenreich seines Bruders
Karls 857/58 hatten die Bischöfe des Westreichs unter der Führung Hinkmars von
Reims ein Schreiben an Ludwig den Deutschen verfasst. In diesem Schreiben
informierten sie Ludwig über zentrale Merkmale des Bischofsamtes. Dazu ge-
hörte die bischöfliche Mahn- und Aufsichtsfunktion ebenso wie die apostolische
Nachfolge, aber auch die Leitung der Kirche und der Schutz des Kirchenguts.
Hinkmar von Reims formulierte 858 selbstbewusst, die Zuständigkeit über das
Kirchengut könne Ludwig den Bischöfen nicht übertragen, da sie es bereits be-
säßen1280.
Kurz Zeit zuvor, auf der Reichsversammlung und Synode von Quierzy 857,
hatte Hinkmar seine Collectio de raptoribus vorgelegt. Diese Sammlung von
kirchenrechtlichen Bestimmungen und Bibelstellen über den Umgang mit
Räubern von Kirchengütern sah geistliche und weltliche Strafen vor. Im Kapi-
tular von Quierzy präsentierte Karl der Kahle in deutlicher Parallele zeitgleich
ein mehrstufiges Verfahren, mit dem die raptores zur Rückgabe der in den Brü-
derkriegen entfremdeten Güter und zur Buße gebracht werden sollten. Das
Zusammenwirken der weltlichen und geistlichen Gewalten ist also auf dem
Gebiet des Kirchenguts gut zu beobachten. Doch am konkreten Umgang mit den
Gütern entzündeten sich immer wieder Konflikte. So betonte Karl der Kahle im
Konflikt mit Bischof Hinkmar von Laon, dass er als König souveräne Verfü-
gungsgewalt auch über das Kirchengut habe1281.
Genevieve Bührer-Thierry hat darauf hingewiesen, dass der Episkopat in
Westfranken in seiner Gesetzgebung (verstärkt nach Quierzy 857) zu Problemen
im Umgang mit Kirchengut Stellung bezieht. Damit hätte er schrittweise eine
symbolträchtige Aufgabe der karolingischen Herrscher in seinen Amtsbereich
übertragen. Dieser Prozess der Verschiebung der Zuständigkeit für den Schutz
des Kirchenguts vom königlichen Amt hin zum bischöflichen Amt setzte laut
Bührer-Thierry im westfränkischen Reich seit der Mitte des 9. Jahrhunderts
einF1282. Im Ostfrankenreich hingegen sei der Schutz der Kirchengüter Aufgabe
1280 S. Kapitel III.2. zum Synodalschreiben von Quierzy.
1281 Nelson, Not bishops' bailiffs, S. 137, 142.
1282 Bührer-Thierry, L'episcopat en Francie, S. 348: „un glissement des responsabilites qui s'opere de la
function royale vers la function episcopale"; vgl. Dies., Episcopat et royaute, S. 145.