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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0307
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XI. Die monastische Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens

des Körrigs geblieben. Die Zuständigkeit der Bischöfe für den Schutz des
Kirchenguts erkannte auch Abt Odo von Cluny noch in der ersten Hälfte des
10. Jahrhunderts an. Abbo von Fleury formulierte jedoch gut 50 Jahre später, dass
das Klostergut ebenso vor Laien wie vor Bischöfen geschützt werden müsse1283
und trennte somit auch das Klostergut von dem allgemeinen Kirchengut ab.
Abbos Biograph Aimo schrieb, dass Abbo mit seiner kanonistischen Sammlung
„Waffen" gegen den Bischof von Orleans zusammengestellt hatte. Es ist offen-
sichtlich, dass in der monastischen Gemeinschaft von Fleury der Bischof nicht
mehr als der Garant für den Schutz des Kirchenguts akzeptiert worden ist. Die
Auffassung über die bischöfliche Zuständigkeit wich in den verschiedenen Mi-
lieus gewaltig voneinander ab. Bei dem bischofsnahen Kathedralklerus und auch
in bischöflich geförderten/ gegründeten bzw. unter bischöflicher Kontrolle ste-
henden Klöstern dürften sich andere Haltungen finden als in bischofsfernen
Reformkreisen, die bischöflicher Einflussnahme prinzipiell abweisend gegen-
überstanden.
Im Folgenden soll daher untersucht werden, wie der Aspekt „Schutz des
Kirchenguts" am Beispiel des Klosterguts vom 9. Jahrhundert bis um 1000 als
Basis für die Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens dienen konnte. Wer
verwendete diesen im 9. Jahrhundert von den Bischöfen selbst stark gemachten
Aspekt des Bischofsbildes in welchem Zusammenhang und mit welcher Ab-
sicht?
Laurent Jegou hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die Bischöfe im
10. Jahrhundert ein spirituelles Rüstzeug zur Verteidigung des Kirchenguts zur
Anwendung brachten1284. Sie verfügten über ein Maßnahmenspektrum von
Strafwundern bis hin zu Exkommunikationen, also der Verhängung von Beu-
gestrafen. Solche Aktionen wurden für die Nachwelt in den Gesta Episcoporum
und in Bischofsviten festgehalten. Das Arsenal an spirituellen Sanktionen wie
etwa der Buße war bereits im 9 Jahrhundert in der konziliaren Gesetzgebung
entwickelt worden. Die Forschung, insbesondere die französische Forschung,
deutet die Ausbildung dieses „spirituellen Rüstzeugs" traditionell im Zusam-
menhang mit der vermeintlichen Schwächung des Königtums im späten 9. und
frühen 10. Jahrhundert. Die Bischöfe hätten sich beispielsweise laut Isabelle Rose
als einzige Autorität erwiesen, die die Kirchengüter gegen die Schädigung von
Laien schützen könnten1285. Rose bezieht sich bei dieser Aussage auf die ekkle-
siastische Konzeption Odos von Cluny in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts.
Die cluniazensische Haltung zu Bischöfen kann jedoch nicht für das gesamte
Reformmönchtum verallgemeinert werden, wie die Forschungen von Barbara
Rosenwein, Thomas Head und Sharon Farmer zu „Mönchen und ihren Feinden"
gezeigt haben1286. In der königsfernen Region Burgunds war die Beziehung
zwischen Cluny und den Bischöfen von Mäcon nicht feindselig, sondern
freundschaftlich geprägt. Der Bischof war eingebunden in das cluniazensische

1283 S. Kapitel Abbo von Fleury.

1284 Vgl. Jegou, Eveque, Kapitel zu Gesta Episcoporum, S. 463-475.

1285 Rose, Societe, S. 434.

1286 Rosenwein/Head/Farmer, Monks and their enemies, bes. S. 765-767.
 
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