V. Bischofsabsetzung durch den Papst:
Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863
1. Anlass: die Eheaffäre Lothars II.
Der lotharingische König Lotharll. begehrte ab ca. 857 die Scheidung von seiner
bis zu diesem Zeitpunkt kinderlosen Ehefrau Theutberga, um seine concubina
Waldrada, mit der er mehrere Kinder hatte, zur rechtmäßigen Ehefrau und
Königin erheben zu können516. Diese Eheaffäre erstreckte sich über mehrere
Jahre. Doch der Versuch Lothars, die Verbindung mit Waldrada zu legitimieren
und den daraus hervorgegangenen Sohn Hugo als Erben im nördlichen Mittel-
reich einzusetzen, blieb erfolglos. Das selbständige lotharingische Reich ging
unter und wurde 870 unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen im
Vertrag von Meersen aufgeteilt. Die Eheaffäre hatte entscheidenden Anteil dar-
an, dass Lothariniga als Reichsgebilde von der politischen Bühne verschwand517.
Die Gründe für Lothars Scheidungspläne sind nicht mehr zu erhellen und
dürften vielfältig gewesen sein518. Lothar versuchte zu Beginn des Scheidungs-
gesuchs, die Ehe mit Theutberga aufgrund von Eheunwürdigkeit der Ehefrau als
von vorneherein ungültig darzustellen519. Lothar warf Theutberga seit 857 vor,
mit ihrem Bruder Hukbert vor ihrer Ehe mit Lothar ein inzestuöses Verhältnis
nach Art der Sodomiten eingegangen zu sein, ein Kind empfangen zu haben und
eine Abtreibung vorgenommen zu haben. Zunächst wurde 858 ein weltliches
Gericht angerufen und ein Stellvertreter Theutbergas trat zu einem Gottesurteil
durch Kesselfang an, das er aber bestand520. Theutberga erschien somit als un-
516 Vgl. zur Eheaffäre Lothars II. Böhringer, Einleitung zur Edition mit detailliertem Überblick und
sorgfältiger Auswertung der Literatur. Vgl. auch Patzold, Verfahren; Heidecker, Why should
Bishops be involved; Ders., Divorce, vgl. zu Heidecker, Divorce auch die kritische Rezension von
Böhringer, Recht.
517 Vgl. Airlie, Unreal Kingdom, S. 339f.
518 Vgl. Patzold, Verfahren, S. 395. Lotharll. hatte Theutberga vermutlich aufgrund einer günstigen
politischen Allianz geheiratet, sie stammte aus einer der einflussreichsten Familien des Frank-
enreiches. Die Gründe für die Verschlechterung des Verhältnisses der Eheleute und Lothars
Scheidungsbegehren können hier nicht im Einzelnen verfolgt werden. Vgl. hierzu bes. Böhringer,
Einleitung zur Edition, gegen die alte Forschung vom „lüsternen König", aber sie kann auch die
vor allem von Brühl, Hinkmariana vertretene rein „politikgeschichtliche" Sichtweise revidieren.
Vgl. auch Felten, Liebe, Lust und Leidenschaft. Zuzustimmen ist in jedem Fall der Mahnung
Kottjes, den Fall unbelastet von Vorstellungen über den „Lüstling" Lothar zu betrachten und die
Quellen über die Absetzung vorurteilsfrei zu untersuchen (Vgl. Kottje, Recht, S. 101).
519 Über die frühe Phase der Eheaffäre sind wir durch das von Hinkmar von Reims angefertigtes
Gutachten in dem Fall informiert. (Hinkmar von Reims, De Divortio).
520 Vgl. hierzu Böhringer, Einleitung zur Edition von De Divortio und Patzold, Verhandeln zu den
von ihm benannten fünf Phasen bei LotharsII. Bemühen um eine Trennung von Theutberga.
Zum Kesselfang vgl. S. 396.
Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863
1. Anlass: die Eheaffäre Lothars II.
Der lotharingische König Lotharll. begehrte ab ca. 857 die Scheidung von seiner
bis zu diesem Zeitpunkt kinderlosen Ehefrau Theutberga, um seine concubina
Waldrada, mit der er mehrere Kinder hatte, zur rechtmäßigen Ehefrau und
Königin erheben zu können516. Diese Eheaffäre erstreckte sich über mehrere
Jahre. Doch der Versuch Lothars, die Verbindung mit Waldrada zu legitimieren
und den daraus hervorgegangenen Sohn Hugo als Erben im nördlichen Mittel-
reich einzusetzen, blieb erfolglos. Das selbständige lotharingische Reich ging
unter und wurde 870 unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen im
Vertrag von Meersen aufgeteilt. Die Eheaffäre hatte entscheidenden Anteil dar-
an, dass Lothariniga als Reichsgebilde von der politischen Bühne verschwand517.
Die Gründe für Lothars Scheidungspläne sind nicht mehr zu erhellen und
dürften vielfältig gewesen sein518. Lothar versuchte zu Beginn des Scheidungs-
gesuchs, die Ehe mit Theutberga aufgrund von Eheunwürdigkeit der Ehefrau als
von vorneherein ungültig darzustellen519. Lothar warf Theutberga seit 857 vor,
mit ihrem Bruder Hukbert vor ihrer Ehe mit Lothar ein inzestuöses Verhältnis
nach Art der Sodomiten eingegangen zu sein, ein Kind empfangen zu haben und
eine Abtreibung vorgenommen zu haben. Zunächst wurde 858 ein weltliches
Gericht angerufen und ein Stellvertreter Theutbergas trat zu einem Gottesurteil
durch Kesselfang an, das er aber bestand520. Theutberga erschien somit als un-
516 Vgl. zur Eheaffäre Lothars II. Böhringer, Einleitung zur Edition mit detailliertem Überblick und
sorgfältiger Auswertung der Literatur. Vgl. auch Patzold, Verfahren; Heidecker, Why should
Bishops be involved; Ders., Divorce, vgl. zu Heidecker, Divorce auch die kritische Rezension von
Böhringer, Recht.
517 Vgl. Airlie, Unreal Kingdom, S. 339f.
518 Vgl. Patzold, Verfahren, S. 395. Lotharll. hatte Theutberga vermutlich aufgrund einer günstigen
politischen Allianz geheiratet, sie stammte aus einer der einflussreichsten Familien des Frank-
enreiches. Die Gründe für die Verschlechterung des Verhältnisses der Eheleute und Lothars
Scheidungsbegehren können hier nicht im Einzelnen verfolgt werden. Vgl. hierzu bes. Böhringer,
Einleitung zur Edition, gegen die alte Forschung vom „lüsternen König", aber sie kann auch die
vor allem von Brühl, Hinkmariana vertretene rein „politikgeschichtliche" Sichtweise revidieren.
Vgl. auch Felten, Liebe, Lust und Leidenschaft. Zuzustimmen ist in jedem Fall der Mahnung
Kottjes, den Fall unbelastet von Vorstellungen über den „Lüstling" Lothar zu betrachten und die
Quellen über die Absetzung vorurteilsfrei zu untersuchen (Vgl. Kottje, Recht, S. 101).
519 Über die frühe Phase der Eheaffäre sind wir durch das von Hinkmar von Reims angefertigtes
Gutachten in dem Fall informiert. (Hinkmar von Reims, De Divortio).
520 Vgl. hierzu Böhringer, Einleitung zur Edition von De Divortio und Patzold, Verhandeln zu den
von ihm benannten fünf Phasen bei LotharsII. Bemühen um eine Trennung von Theutberga.
Zum Kesselfang vgl. S. 396.