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VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
kriegsähnliche Zustände erschütterten das Westfrankenreich bis in die frühen
990er Jahre. Karl gelang es 987, die Festung und Bischofsstadt Laon und an-
schließend im Herbst 989 Reims zu erobern. Die Eroberung von Reims war
möglich gemacht worden durch das Bündnis mit seinem Verwandten Arnulf von
Reims, der Karl und seinen Truppen nachts die Tore der Stadt Reims öffnete. Karl
nahm Arnulf jedoch zum Schein gefangen und dieser exkommunizierte ihn und
alle, die bei der Eroberung von Reims mitgewirkt hatten. Hugo Capet gelang es,
Karl zu überwältigen und Reims einzunehmen, jedoch nur mit Hilfe des Verrats
des Bischofs Adalbero von Laon, der sich das Vertrauen Arnulfs erschlich865.
Arnulf und Karl fielen beide in die Hände Hugo Capets. Karl wurde in
Orleans eingekerkert. Über die Taten Arnulfs wurde auf der Synode von St. Basie
verhandelt. Arnulf wurde des Verrats am König angeklagt und abgesetzt. Ger-
bert von Reims, der bisherige Leiter der Reimser Domschule, wurde zu seinem
Nachfolger gewählt. Die Absetzung war jedoch nicht von Dauer. 993 wurden die
Akten an den päpstlichen Stuhl gesandt und der Konflikt um die Absetzung
begann. Der Papst billigte die Akten von St. Basie nicht. Der Fall wurde vom
ostfränkischen König und Episkopat in Ingelheim 993 verhandelt. In Mouzon
995 sollte die Absetzung erneut diskutiert werden. Bereits im Juli 995 wurde
Gerberts Stellung in Reims unhaltbar, im Jahr darauf verließ er die Metropole.
Arnulf wurde vom Papst restituiert und übte ab 997 das Amt des Erzbischofs
wieder aus866.
Gerbert hat die Akten von St. Basie bearbeitet, sie sind mehr als ein Synodal-
protokoll. Er musste die Absetzung Arnulfs nachträglich erklären und vor Papst
und ostfränkischem König sowie dem Episkopat legitimieren. In Mouzon trat
Gerbert als einziger Vertreter Westfrankens vor dem ostfränkischen Episkopat
auf, um seine Wahl zu verteidigen. Die Texte Gerberts sollen hier jedoch in einem
ersten Schritt nicht ex post vom späteren „Scheitern" her betrachtet werden,
sondern als Zeugnisse von Gerberts theoretischen Reflexionen und als Ergeb-
nisse der Archivsuche und der Wissensorganisation in Reims gelesen werden.
2. Die Synode von St. Basie und die Dokumentation des Falls
Arnulf von Reims wurde auf der Synode von St. Basie seinen Richtern vorge-
führt. Den Bericht über St. Basie verfasste Gerbert von Reims, der Nachfolger
865 Adalbero von Laon, Neffe Adalberos von Reims, war einer der einflussreichsten Politiker des
Westfrankenreichs. Er war von Karl von Niederlothringen aus seiner Bischofsstadt vertrieben
worden. Richer von Reims erzählt eine Geschichte des Verrats: Aus Rachsucht erschlich sich
Adalbero das Vertrauen Karls und Arnulfs und gaukelte Arnulf von Reims vor, sich mit Karl und
im Gegenzug ihn, Arnulf, mit Hugo Capet versöhnen zu wollen. Arnulf fiel auf die List des
Mitbischofs herein und riet Karl, sich mit Adalbero zu verbünden. Dieser lieferte Karl jedoch an
Hugo Capet aus. Zur Biographie Adalberos vgl. Cooldige, Adalbero.
866 Zum weiteren Verlauf der Ereignisse vgl. Hehl in Cone. VI,2, S. 380.
VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
kriegsähnliche Zustände erschütterten das Westfrankenreich bis in die frühen
990er Jahre. Karl gelang es 987, die Festung und Bischofsstadt Laon und an-
schließend im Herbst 989 Reims zu erobern. Die Eroberung von Reims war
möglich gemacht worden durch das Bündnis mit seinem Verwandten Arnulf von
Reims, der Karl und seinen Truppen nachts die Tore der Stadt Reims öffnete. Karl
nahm Arnulf jedoch zum Schein gefangen und dieser exkommunizierte ihn und
alle, die bei der Eroberung von Reims mitgewirkt hatten. Hugo Capet gelang es,
Karl zu überwältigen und Reims einzunehmen, jedoch nur mit Hilfe des Verrats
des Bischofs Adalbero von Laon, der sich das Vertrauen Arnulfs erschlich865.
Arnulf und Karl fielen beide in die Hände Hugo Capets. Karl wurde in
Orleans eingekerkert. Über die Taten Arnulfs wurde auf der Synode von St. Basie
verhandelt. Arnulf wurde des Verrats am König angeklagt und abgesetzt. Ger-
bert von Reims, der bisherige Leiter der Reimser Domschule, wurde zu seinem
Nachfolger gewählt. Die Absetzung war jedoch nicht von Dauer. 993 wurden die
Akten an den päpstlichen Stuhl gesandt und der Konflikt um die Absetzung
begann. Der Papst billigte die Akten von St. Basie nicht. Der Fall wurde vom
ostfränkischen König und Episkopat in Ingelheim 993 verhandelt. In Mouzon
995 sollte die Absetzung erneut diskutiert werden. Bereits im Juli 995 wurde
Gerberts Stellung in Reims unhaltbar, im Jahr darauf verließ er die Metropole.
Arnulf wurde vom Papst restituiert und übte ab 997 das Amt des Erzbischofs
wieder aus866.
Gerbert hat die Akten von St. Basie bearbeitet, sie sind mehr als ein Synodal-
protokoll. Er musste die Absetzung Arnulfs nachträglich erklären und vor Papst
und ostfränkischem König sowie dem Episkopat legitimieren. In Mouzon trat
Gerbert als einziger Vertreter Westfrankens vor dem ostfränkischen Episkopat
auf, um seine Wahl zu verteidigen. Die Texte Gerberts sollen hier jedoch in einem
ersten Schritt nicht ex post vom späteren „Scheitern" her betrachtet werden,
sondern als Zeugnisse von Gerberts theoretischen Reflexionen und als Ergeb-
nisse der Archivsuche und der Wissensorganisation in Reims gelesen werden.
2. Die Synode von St. Basie und die Dokumentation des Falls
Arnulf von Reims wurde auf der Synode von St. Basie seinen Richtern vorge-
führt. Den Bericht über St. Basie verfasste Gerbert von Reims, der Nachfolger
865 Adalbero von Laon, Neffe Adalberos von Reims, war einer der einflussreichsten Politiker des
Westfrankenreichs. Er war von Karl von Niederlothringen aus seiner Bischofsstadt vertrieben
worden. Richer von Reims erzählt eine Geschichte des Verrats: Aus Rachsucht erschlich sich
Adalbero das Vertrauen Karls und Arnulfs und gaukelte Arnulf von Reims vor, sich mit Karl und
im Gegenzug ihn, Arnulf, mit Hugo Capet versöhnen zu wollen. Arnulf fiel auf die List des
Mitbischofs herein und riet Karl, sich mit Adalbero zu verbünden. Dieser lieferte Karl jedoch an
Hugo Capet aus. Zur Biographie Adalberos vgl. Cooldige, Adalbero.
866 Zum weiteren Verlauf der Ereignisse vgl. Hehl in Cone. VI,2, S. 380.