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I. Einleitung
nen Untersuchungsgegenstand konstituiert, sondern eine analytische Perspek-
tive".
Obwohl die Kulturgeschichte des Politischen sich explizit von dem politik-
wissenschaftlichen normativen Zugang der „politischen Kultur" absetzt, können
von den Überlegungen Karl Rohes als Vertreter des Konzepts der „Politischen
Kultur" wichtige Anregungen auch für kulturwissenschaftliche Zugänge aus-
gehen. Besonders Rohes Betonung der historischen Dimension von „Politik" als
„fundamentale Ordnungsproblematik", die durch Wahrnehmung konstitutiert
wird, bietet Anknüpfungspunkte. Rohe hat zwischen einer Deutungskultur und
einer Soziokultur unterschieden100, diese Modelle setzten implizit die Existenz
verschiedener Wissensformen voraus. Generell hat auch Rohe auf eine Aus-
druckseite der politischen Kultur verwiesen und meinte damit, dass das „Wie",
die Bedeutungszuschreibung (im kulturwissenschaftlichen Sinne) ebenso ent-
scheidend sei wie das „Was" 101.
3. Fragestellung, Methode und Vorgehensweise
Es kristallisieren sich aus der Zusammenschau der Literatur folgende drei zen-
trale Fragen heraus: 1. Wie sah die Bedeutung von Wissen um das Bischofsamt
und die politische Macht der Bischöfe in der Praxis und die Anwendung dieser
Wissensbestände in der politischen Kultur aus? 2. Wie lässt sich das Verhältnis
von individuellen Haltungen und verschiedenen Vorstellungen in Hinblick auf
allgemein verbreitetes soziales Wissen bestimmen? Bischöfe sind nicht als mo-
nolithischer Block zu verstehen, obwohl sie durch gemeinsames Wissen über ihr
Amt als Gruppe definiert werden. 3. Waren Bischöfe über das 9. Jahrhundert
hinaus alleinige Produzenten des sozialen Wissens über ihre Gruppe? Welche
Rolle spielte die Geistlichkeit um den Bischof, die dieses Wissen teilte bzw. in ihm
ausgbildet worden ist? Welche Abweichungen gibt es innerhalb des Bischofs-
standes und welches Wissen über Bischöfe produzierten andere soziale Gruppen
(d.h. vor allem Mönche in der Zeit der beginnenden Kirchenreform)?
Ausgehend von dieser Problemstellung untersuche ich die Anwendung von
Wissensbeständen in konkreten geographischen Räumen und kulturellen Ge-
meinschaften. Als Beispiele zur Erhellung der Funktionsweisen der politischen
Kultur Westfrankens (und Lothringens in Ansätzen) vom 9. bis zum Beginn des
11. Jahrhunderts eignen sich die Konflikte zwischen Bischöfen und Königen
sowie Bischöfen und Äbten/Klöstern. Es geht um den Zusammenhang von
Vorstellungen und politischer Praxis und die Bedeutung des Wissenseinsatzes.
Daher werden Handlungen, Praktiken und ihre Deutungen untersucht (dies
99 Vgl. Gerd Schwerhoff: Rezension zu: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hrsg.): Was heißt Kulturgeschichte
des Politischen? Berlin 2005, in: H-Soz-u-Kult, 07.10.2006, <http://hsozkult.geschichte.hu-ber-
lin.de/rezensionen/2006-4-021>.
100 Vgl. Rohe, Politische Kultur, S. 340.
101 Vgl. Ebd., S. 337.
I. Einleitung
nen Untersuchungsgegenstand konstituiert, sondern eine analytische Perspek-
tive".
Obwohl die Kulturgeschichte des Politischen sich explizit von dem politik-
wissenschaftlichen normativen Zugang der „politischen Kultur" absetzt, können
von den Überlegungen Karl Rohes als Vertreter des Konzepts der „Politischen
Kultur" wichtige Anregungen auch für kulturwissenschaftliche Zugänge aus-
gehen. Besonders Rohes Betonung der historischen Dimension von „Politik" als
„fundamentale Ordnungsproblematik", die durch Wahrnehmung konstitutiert
wird, bietet Anknüpfungspunkte. Rohe hat zwischen einer Deutungskultur und
einer Soziokultur unterschieden100, diese Modelle setzten implizit die Existenz
verschiedener Wissensformen voraus. Generell hat auch Rohe auf eine Aus-
druckseite der politischen Kultur verwiesen und meinte damit, dass das „Wie",
die Bedeutungszuschreibung (im kulturwissenschaftlichen Sinne) ebenso ent-
scheidend sei wie das „Was" 101.
3. Fragestellung, Methode und Vorgehensweise
Es kristallisieren sich aus der Zusammenschau der Literatur folgende drei zen-
trale Fragen heraus: 1. Wie sah die Bedeutung von Wissen um das Bischofsamt
und die politische Macht der Bischöfe in der Praxis und die Anwendung dieser
Wissensbestände in der politischen Kultur aus? 2. Wie lässt sich das Verhältnis
von individuellen Haltungen und verschiedenen Vorstellungen in Hinblick auf
allgemein verbreitetes soziales Wissen bestimmen? Bischöfe sind nicht als mo-
nolithischer Block zu verstehen, obwohl sie durch gemeinsames Wissen über ihr
Amt als Gruppe definiert werden. 3. Waren Bischöfe über das 9. Jahrhundert
hinaus alleinige Produzenten des sozialen Wissens über ihre Gruppe? Welche
Rolle spielte die Geistlichkeit um den Bischof, die dieses Wissen teilte bzw. in ihm
ausgbildet worden ist? Welche Abweichungen gibt es innerhalb des Bischofs-
standes und welches Wissen über Bischöfe produzierten andere soziale Gruppen
(d.h. vor allem Mönche in der Zeit der beginnenden Kirchenreform)?
Ausgehend von dieser Problemstellung untersuche ich die Anwendung von
Wissensbeständen in konkreten geographischen Räumen und kulturellen Ge-
meinschaften. Als Beispiele zur Erhellung der Funktionsweisen der politischen
Kultur Westfrankens (und Lothringens in Ansätzen) vom 9. bis zum Beginn des
11. Jahrhunderts eignen sich die Konflikte zwischen Bischöfen und Königen
sowie Bischöfen und Äbten/Klöstern. Es geht um den Zusammenhang von
Vorstellungen und politischer Praxis und die Bedeutung des Wissenseinsatzes.
Daher werden Handlungen, Praktiken und ihre Deutungen untersucht (dies
99 Vgl. Gerd Schwerhoff: Rezension zu: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hrsg.): Was heißt Kulturgeschichte
des Politischen? Berlin 2005, in: H-Soz-u-Kult, 07.10.2006, <http://hsozkult.geschichte.hu-ber-
lin.de/rezensionen/2006-4-021>.
100 Vgl. Rohe, Politische Kultur, S. 340.
101 Vgl. Ebd., S. 337.