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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0032
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2. Forschungslage

31

des Politischen gekommen91. Fluchtpunkt dieser kulturwissenschaftlichen
Analyse ist eine Auflösung der Dichotomie zwischen Politik und Kultur, insofern
als das „Politische" als die symbolische Ordnung an sich verstanden wird, der
Sinn verliehen wird. Achim Landwehr hat in seinen Arbeiten die Kategorien
,Wissen' und,Macht' als Leitperspektiven für eine Kulturgeschichte des Politi-
schen hervorgehoben, da das Politische durch Diskurse konstituiert wird92. Es
geht in dieser Perspektive um die Produktion von Sinn sowie der Konstruktion
von Wirklichkeit. Das Politische wird verstanden als Struktur, die alle gesell-
schaftlichen Bereiche durchzieht. Politische Handlungen gewinnen ihre Bedeu-
tung dadurch, dass sich in ihnen „Sinnkonzeptionen ausdrücken" und sie „Sinn
produzieren beziehungsweise reproduzieren"93. Es kommt also auf die Bedeu-
tung an, die in einem historischen Moment einer Handlung gegeben wird. Indem
politisch gehandelt wird, wird das Politische hergestellt94. Gefragt wird bei
einem solchen kulturwissenschaftlichen Ansatz nicht mehr danach, „wer oder
was Produkte welcher Art erzeugt, ...sondern wie solche Produkte von wem
hervorgebracht werden"95. Der Gegenstand des Politischen interessiert daher
nicht mehr in seinem „So-Sein", sondern in seinem „So-Gemacht-Sein"96. Das
Wissen von sich, von anderen und von der Ordnung insgesamt ist, laut Land-
wehr, immer mit der Frage der Macht über dieses Wissen verbunden97. Dieses
Diktum ist auch für Bischofsabsetzungen als Situationen, in denen Wissen über
Bischöfe zur Anwendung kommt, erkenntnisleitend.
Einen ähnlichen Zugang vertritt Barbara Stollberg-Rilinger. Sie postuliert in
ihrer Einleitung zu dem programmatischen Sammelband „Was heißt Kulturge-
schichte des Politischen" einen sozialanthropologischen Kulturbegriff, wie er für
die Münsteraner Forschungszusammenhänge charakteristisch ist. In dieser
Perspektive kann Kultur immer als „Ergebnis von Sinnzuschreibungen, Gel-
tungsbehauptungen und Deutungskonflikten der Akteure"98 beschrieben und
analysiert werden. Auch hebt sie hervor, dass in dieser kulturgeschichtlichen
Perspektive Politik und Kultur nicht mehr als unvereinbare Gegensätze er-
scheinen, da es keine harte Realität jenseits des Symbolischen gibt, sondern alles
als „politisch" Anerkannte durch Wahrnehmungen und Erfahrungen, Sinn- bzw.
Bedeutungszuschreibungen und Handlungen konstituiert werde. Somit gilt das
mittlerweile schon klassische Diktum der Kulturgeschichte, dass „Kultur" kei-

91 Vgl. die Beiträge des Sammelbands „Was ist Kulturgeschichte des Politischen" mit weiterer
Literatur. Vgl. außerdem Mergel, Kulturgeschichte der Politik, Version 2.0. sowie Ders., Über-
legungen.

92 Landwehr, Diskurs — Macht — Wissen, hier bes. S. 105: „Daher ist die herausragende Qualität des
Diskurses, Wirklichkeit, Wahrheit und Wissen zu produzieren, und zwar immer insofern es sich
für bestimmte Gesellschaften um (kulturhistorisch gesprochen) bedeutungshaltige und sinn-
gesättigte Wirklichkeit handelte"; vgl. auch Ebd. S. 107.

93 Ebd., S. 99.

94 Ebd. 103.

95 Ebd.

96 Ebd. S. 108.

97 Ebd. S. 113.

98 Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte des Politischen, S. 12.
 
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