Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0034
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. Fragestellung, Methode und Vorgehensweise

33

ergibt sich aus der kulturwissenschaftlichen Forderung, das „Wie", das Ge-
machten der symbolischen Ordnung in den Blick zu nehmen).
Drei Ansätze werden in der vorliegenden Arbeit zur Umsetzung dieses Ziels
verfolgt: erstens basieren die Ausführungen auf einem wissenssoziologischen
Ansatz (soziales Wissen, kategoriales Wissen). Dieser Ansatz ist besonders von
Achim Landwehr102 für die historische Forschung fruchtbar gemacht worden
und dient auch Steffen Patzold als Ausgangspunkt für seine Untersuchung zum
Wissen über Bischöfe103. Zweitens stammen Anregungen aus den Ergebnissen
von Karl Rohe zur Kulturgeschichte des Politischen und drittens können be-
sonders die Forschungen zu Gedächtnis und Erinnerungskultur dazu beitragen,
die Gruppenbindung von Wissen sowie die Verortung in Gemeinschaften und
die Art der Verbreitung und Aktivierung von Wissen zu erhellen104. Hier stütze
ich mich auf den Vorschlag von Aleida Assmann zwischen Funktionsgedächtnis
und Speichergedächtnis als zweite Komponenten des kulturellen Gedächtnisses
zu differenzieren105. In einem Gedächtnis sind Informationen eingeschrieben, die
dem Medium der Schrift anvertraut werden, aber eine Rückbindung an das
kollektive Gedächtnis einer Gemeinschaft/sozialen Gruppe haben. Diese Infor-
mationen begreife ich als „Wissen über sich und andere" im Sinne der Kultur-
geschichte. Denn es stellt sich heraus, dass das Wissen über sich ein Akt ist, der
grundsätzlich der Speicherung aber ebenso in bestimmten Situationen einer
Anwendung bedarf — als diese Situationen verstehe ich Konflikte allgemein,
Bischofsabsetzungen im Besonderen.
Als weiterführend erweist sich besonders der Begriff des „kategorialen
Wissens"106. Eine Kategorisierung ist nicht natürlich, sondern wird vorgenom-
men. Im Falle der Bischöfe von einer bestimmten sozialen Gruppe. Eine Gruppe,
die zur Konstituierung ihres Wissens von der Wirklichkeit in großem Umfang
auch auf gelehrtes Wissen zurückgriff, und die vor allem ihr Wissen in Texte
einschrieb. Gleichzeitig konkretisierte sich dieses Wissen aber auch in sozialen
Handlungen, bei denen es sich zwar um Aktionen von Individuen handelte, die
aber in Strukturen eingebunden waren. In der politischen Kultur kam gelebtes
und gelehrtes Wissen zum Einsatz und beeinflusst gleichzeitig diese politische
Kultur. Daher geht es mir darum, die Aktivierung und Anwendung von Wissen
in bestimmten politischen Kontexten und Konstellationen zu untersuchen.
In der vorliegenden Arbeit wird das Zusammenwirken von Wissen und
Macht, von Vorstellungen und Handlungen in qualitativen Fall-Analysen un-
tersucht. Dies ermöglicht eine Einbeziehung der Handlungsoptionen und der
Konstellationen, in denen um Deutungshoheit und Akzeptanz von „Wissen über
Bischöfe" gerungen wird.
Die politischen Akteure des westfränkischen Reiches werden als eine Akti-
ons- und Handlungsgemeinschaft verstanden. Normverstöße der (geistlichen

102 Vgl. bes. Landwehr, Das Sichtbare, S. 71; Ders., Diskurs — Macht — Wissen.

103 Patzold, Episcopus, S. 37-45 zum wissenssoziologischen Ansatz.

104 Assmann, Erinnerungsräume; Dies., Funktionsgedächtnis.

105 Assmann, Funktionsgedächtnis, S. 133-137, bes. S. 134.

106 Landwehr, Das Sichtbare, S. 67 ff.
 
Annotationen