1. Fragestellung, Forschungsstand und Quellenlage
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System von Gabe und Gegengabe und garantierte den Schutz und die Dauer-
haftigkeit der vom Adel gemachten Schenkungen.
Das Klostergut als Teil des Kirchenguts hat in der Forschung in diesem
Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit gefunden. Als Standardbeispiel für
Schädigung des Kirchenguts durch Laien gilt die Vergabe von Klöstern an Lai-
enäbte. Seit Sackur wurden zu diesem Thema hauptsächlich die aus den Klöstern
stammenden hagiographischen und historiographischen Quellen ausgewertet.
Jedoch konnte Franz Felten bereits 1980 darlegen, dass diese Darstellung in
weiten Teilen auf einer unkritischen Übernahme der bischöflichen Perspektive
beruht. Seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts waren die Bischöfe bemüht, ihre
Zuständigkeit für den Schutz des Kirchenguts, das sie als Gut der Armen pro-
pagierten, zu betonen. In den konziliaren Texten wurde propagiert, dass die res
ecclesiastica vor den Laien geschützt werden müssten. Franz Felten hat jedoch in
seiner sozialgeschichtlichen Studie zeigen können, dass Bischöfe als Äbte in
ihren Eigenklöstern oder als Leiter von Königsklöstern in vielen Fällen nicht
anders agierten als die Laien auch1287. Auch die Forschungen Nightingales zu
lothringischen Klöstern haben gezeigt, dass die Aussagen über machtgierige
Bischöfe, die Klöster bedrängen und ruinieren, indem sie die „Weiden" der
Mönche plündern, nicht ungeprüft aus den Quellen übernommen werden
können. Erst ein (nicht in allen Fällen möglicher) Abgleich mit Schenkungsur-
kunden, Traditionsnotizen und ähnlichem Material würde es erlauben, Aussa-
gen über die tatsächliche wirtschaftliche Situation zu treffen1288.
Die Bischöfe als Schützer des Kirchenguts, das als Gut der Armen deklariert
wird, ist daher als bischöfliches ideologisches Konstrukt zu sehen: Ein schlechter
Bischof verschleudert Kirchengut und gibt es an seine Verwandten aus1289, ein
guter Bischof kümmert sich um die res ecclesiasticas auch im 10. Jahrhundert, legt
sich mit Verwandten seines Vorgängers an und trägt zur Vermehrung und
Rückgewinnung der Güter bei1290. Die Verwendung dieses Konstrukts kann in
verschiedenen Textgattungen und in verschiedenen Zusammenhängen erfolgen,
wie zu zeigen sein wird.
Hier sollen nach der Präsentation der konziliaren Texte die monastischen
Texte im Mittelpunkt stehen. Klöster waren bereits im 9. Jahrhundert wichtige
Orte der Produktion von „bischöflichen" Texten wie Annalen, Chroniken und
Viten. Vom 9.-11. Jahrhundert konnten Bischöfe weite Teile der Historiographie
kontrollieren, besonders stark war die bischöfliche Aufsicht bei den Annalen-
werken1291. Im Zuge der Kirchenreform im Laufe des 10. Jahrhunderts änderte
sich die Ausgangslage. Bischöfliche Reformen und Reformeingriffe sind ein
bedeutendes Moment in der allgemeinen Reformbewegung, wie seit langem
1287 Felten, Äbte, S. 32-47.
1288 Zu diesem Ansatz vgl. vor allem Nightingale, Monasteries and Patrons, S. 3-6.
1289 S. Kapitel zu Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier.
1290 Sot, Seulf, S. 473-476.
1291 Patzold, Epsicopus, S. 361-409 zur Annalistik.
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System von Gabe und Gegengabe und garantierte den Schutz und die Dauer-
haftigkeit der vom Adel gemachten Schenkungen.
Das Klostergut als Teil des Kirchenguts hat in der Forschung in diesem
Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit gefunden. Als Standardbeispiel für
Schädigung des Kirchenguts durch Laien gilt die Vergabe von Klöstern an Lai-
enäbte. Seit Sackur wurden zu diesem Thema hauptsächlich die aus den Klöstern
stammenden hagiographischen und historiographischen Quellen ausgewertet.
Jedoch konnte Franz Felten bereits 1980 darlegen, dass diese Darstellung in
weiten Teilen auf einer unkritischen Übernahme der bischöflichen Perspektive
beruht. Seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts waren die Bischöfe bemüht, ihre
Zuständigkeit für den Schutz des Kirchenguts, das sie als Gut der Armen pro-
pagierten, zu betonen. In den konziliaren Texten wurde propagiert, dass die res
ecclesiastica vor den Laien geschützt werden müssten. Franz Felten hat jedoch in
seiner sozialgeschichtlichen Studie zeigen können, dass Bischöfe als Äbte in
ihren Eigenklöstern oder als Leiter von Königsklöstern in vielen Fällen nicht
anders agierten als die Laien auch1287. Auch die Forschungen Nightingales zu
lothringischen Klöstern haben gezeigt, dass die Aussagen über machtgierige
Bischöfe, die Klöster bedrängen und ruinieren, indem sie die „Weiden" der
Mönche plündern, nicht ungeprüft aus den Quellen übernommen werden
können. Erst ein (nicht in allen Fällen möglicher) Abgleich mit Schenkungsur-
kunden, Traditionsnotizen und ähnlichem Material würde es erlauben, Aussa-
gen über die tatsächliche wirtschaftliche Situation zu treffen1288.
Die Bischöfe als Schützer des Kirchenguts, das als Gut der Armen deklariert
wird, ist daher als bischöfliches ideologisches Konstrukt zu sehen: Ein schlechter
Bischof verschleudert Kirchengut und gibt es an seine Verwandten aus1289, ein
guter Bischof kümmert sich um die res ecclesiasticas auch im 10. Jahrhundert, legt
sich mit Verwandten seines Vorgängers an und trägt zur Vermehrung und
Rückgewinnung der Güter bei1290. Die Verwendung dieses Konstrukts kann in
verschiedenen Textgattungen und in verschiedenen Zusammenhängen erfolgen,
wie zu zeigen sein wird.
Hier sollen nach der Präsentation der konziliaren Texte die monastischen
Texte im Mittelpunkt stehen. Klöster waren bereits im 9. Jahrhundert wichtige
Orte der Produktion von „bischöflichen" Texten wie Annalen, Chroniken und
Viten. Vom 9.-11. Jahrhundert konnten Bischöfe weite Teile der Historiographie
kontrollieren, besonders stark war die bischöfliche Aufsicht bei den Annalen-
werken1291. Im Zuge der Kirchenreform im Laufe des 10. Jahrhunderts änderte
sich die Ausgangslage. Bischöfliche Reformen und Reformeingriffe sind ein
bedeutendes Moment in der allgemeinen Reformbewegung, wie seit langem
1287 Felten, Äbte, S. 32-47.
1288 Zu diesem Ansatz vgl. vor allem Nightingale, Monasteries and Patrons, S. 3-6.
1289 S. Kapitel zu Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier.
1290 Sot, Seulf, S. 473-476.
1291 Patzold, Epsicopus, S. 361-409 zur Annalistik.