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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0140
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3. Die Absetzung in Rom — rechtmäßiges Vorgehen?

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schlossen539. Als Begründung gab Nikolaus I. Ungehorsam gegen den apostoli-
schen Stuhl an. Die beiden Metropoliten waren die ersten Amtsträger im West-
frankenreich, die vom Papst abgesetzt wurden.
Die Beschlüsse der Metzer Synode wurden von Nikolaus I. kassiert, die
Synode als „Räubersynode" bezeichnet540 und die Absetzung über die ver-
blüfften Metropoliten ausgesprochen. Dieser Absetzungsfall unterscheidet sich
daher von allen bisher untersuchten und noch zu untersuchenden dadurch, dass
weder König oder Kaiser des Frankenreiches noch Metropoliten und Mitbrüder
über die Delinquenten richteten, sondern dass allein durch einen Richtspruch
des Papstes — unter Zustimmung der römischen Bischöfe, ein Absetzungsurteil
und eine Exkommunikation verkündet wurden.
Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Frage nach der
Rechtmäßigkeit der Deposition541. Auch Wolfgang Georgi hebt in seiner Spe-
zialstudie zu Gunthar von Köln diesen Punkt besonders hervor und kommt zu
dem Schluss, dass Nikolaus I. die Absetzung der Erzbischöfe aus der Verleihung
des Palliums durch den Papst ableitete542. Jedoch wird dieses Argument gar nicht
von Nikolaus I. selbst in einem päpstlichen Schreiben angeführt, sondern nur in
den Annales Xantenses erwähnt543.
Bereits 1983 hatte Raymund Kottje darauf hingewiesen, dass wer die Aus-
einandersetzung auf Basis der Quellen vorurteilsfrei überblickt, den Eindruck
gewinnt, dass es Nikolaus vornehmlich um die Durchsetzung des päpstlichen
Autoritätsanspruchs ging und zwar unabhängig von einer Stütze im überlie-
ferten kirchlichen Recht544.
Nikolaus I. prüfte weder das Verfahren, auf das sich die Erzbischöfe bezo-
gen, noch die gewählten Kanones. Er war vielmehr mit der abschließenden in-
haltlichen Entscheidung nicht einverstanden. Aufgrund ihrer Befürwortung der
Scheidung verdächtigte er die beiden Metropoliten des Ungehorsams gegenüber
dem apostolischen Stuhl545.

539 Synode von Rom, MGH Cone. IV, S. 152 f: Absetzungssentenz; vgl. auch Annales Bertiniani ad. a.
863; Zur Synode von Rom vgl. Hartmann, Synoden, S. 282-284 und 288-290. Zur Absetzung vgl.
Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 25-33; Fuhrmann, Propagandaschrift; Scholz, Politik, S. 189;
Kottje, Recht. Zu den Folgen der Absetzung für das Erzbistum Köln vgl. auch Patzold, Episc-
opus, S. 369-383 mit Analyse der Annales Xantenses.

540 Nikolaus I., Briefe, Nr. 18 MGH Epp. 6, S. 285,6.

541 Vgl. vor allem die Bemerkungen zur älteren Literatur bei Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 27 mit
Anm. 142. Hat der Papst gerecht gehandelt oder nicht? Die Beantwortung hängt vor allem vom
jeweiligen Standpunkt ab. Vgl. nur die Urteile Hallers (Nikolaus I. schritt gegen Lothar II. und
seine knechtischen Bischöfe ein [Haller, Papsttum, S. 86f.]) und Ewigs (Nikolaus setzte sich
formal ins Unrecht, da sein Vorgehen kirchenrechtlich irregulär war [Kirche im Abendland,
S.150]).

542 Vgl. Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 30.

543 Annales Xantenses, ed. Simson, S. 22.

544 Vgl. Kottje, Recht, S. 103.

545 Ubl, Inzestgesetzgebung, S. 350 spricht auch von einer persönlichen Kränkung des Papstes. Eine
Erörterung, wie ein Absetzungsverfahren nach dem alten Kirchenrecht denn angeblich aussehen
sollte, so wie sie Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 29 f. bietet, führt daher nur zu dem Ergebnis, dass
 
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