140 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863
Dass Nikolaus I. seine Autorität manifest machen konnte, lag auch daran,
dass er von den Franken um die Bestätigung der Konzilsbeschlüsse gebeten
worden war, auch in anderen Fällen war der Papst mit Bitte um eine Entschei-
dung aus dem Frankenreich angerufen worden (Rothad von Soissons, Wulfad
von Bourges und Hinkmar von Laon). Hinkmar von Reims hatte von Nikolaus I.
die Bestätigung eines Privilegs erbeten, dass er nur vom Papst zu richten sei546.
Das Schreiben ist zwar in Zusammenhang mit dem Konflikt mit Thietgaud von
Trier um den Primat in der Gallia Belgica zu sehen547, doch ließ sich die „Ein-
mischung" des Papstes in fränkische Angelegenheiten nicht mehr ohne Weiteres
rückgängig machen, auch wenn sich die Appellationen und Bitten jeweils in
einem ganz spezifischen Kontext abspielten, so zog Nikolaus I. doch weitrei-
chende grundsätzliche Schlüsse daraus.
Philippe Buc hat das Augenmerk auf die narrative Einbettung der Berichter
über die Absetzung gerichtet548. So konnte er herausarbeiten, dass sowohl die
päpstliche Darstellung der Synode von Rom als auch der erzbischöfliche Protest
über die Behandlung in Rom jeweils konkurrierende Deutungen eines Ereig-
nisses sind. Er geht allerdings davon aus, dass sowohl das Protestschreiben
Gunthars und Thietgauds (der sogenannte Libellus), das den Bericht über die
Synode in Rom enthält, als auch die päpstliche Selbstdarstellung auf ein und
derselben politischen Kultur beruhten549. Diese These wird kritisch zu prüfen
sein.
Wir können heute nicht mehr entscheiden, ob der Papst „im Recht war" und
die Absetzung von Gunthar und Thietgaud begründet war550. Ebenso wenig, ob
die Synode von Rom eine „rechtmäßige Synode" war. Eine Erörterung der
Rechtmäßigkeit der Absetzung und die Frage nach objektiver „Gerechtigkeit"
führen offenbar in eine Sackgasse. Sehr viel gewinnbringender dürfte es sein,
sich mit den Vorstellungen vom König- und Bischofsamt und den Strategien der
Betroffenen nach der Absetzung auseinanderzusetzen.
im Fall Gunthars und Thietgauds nicht so vorgegangen worden ist: „von alldem hören wir...
nichts".
546 MGH Epp. 6, Nr. 59, S. 365.
547 Vgl. Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 22. Zum Streit um den Primat vgl. auch Schneider, Erzbischof
Hinkmar, S. 87f., 90-92, 100 mit Hinweis auf ältere Literatur. Wolfgang Georgi bewertet das
Verhältnis Hinkmars zu Gunthar negativ wegen der Spannungen um die Besetzung des Bi-
schofsstuhls von Cambrai und dem Verfahren gegen Rothad von Soisson (bes. S. 22).
548 Vgl. Buc, Text and Ritual, bes. S. 128 ff.
549 Ebd., S. 129.
550 Vgl. die Bemerkungen Kottjes, der ironisch anmerkt, dass Nikolaus I. vielleicht besser die Ab-
sicht der Erzbischöfe Gunthar und Thietgaud durchschaut habe, als es uns heute auf Basis des
überlieferten Materials möglich sei (Recht, S. 103).
Dass Nikolaus I. seine Autorität manifest machen konnte, lag auch daran,
dass er von den Franken um die Bestätigung der Konzilsbeschlüsse gebeten
worden war, auch in anderen Fällen war der Papst mit Bitte um eine Entschei-
dung aus dem Frankenreich angerufen worden (Rothad von Soissons, Wulfad
von Bourges und Hinkmar von Laon). Hinkmar von Reims hatte von Nikolaus I.
die Bestätigung eines Privilegs erbeten, dass er nur vom Papst zu richten sei546.
Das Schreiben ist zwar in Zusammenhang mit dem Konflikt mit Thietgaud von
Trier um den Primat in der Gallia Belgica zu sehen547, doch ließ sich die „Ein-
mischung" des Papstes in fränkische Angelegenheiten nicht mehr ohne Weiteres
rückgängig machen, auch wenn sich die Appellationen und Bitten jeweils in
einem ganz spezifischen Kontext abspielten, so zog Nikolaus I. doch weitrei-
chende grundsätzliche Schlüsse daraus.
Philippe Buc hat das Augenmerk auf die narrative Einbettung der Berichter
über die Absetzung gerichtet548. So konnte er herausarbeiten, dass sowohl die
päpstliche Darstellung der Synode von Rom als auch der erzbischöfliche Protest
über die Behandlung in Rom jeweils konkurrierende Deutungen eines Ereig-
nisses sind. Er geht allerdings davon aus, dass sowohl das Protestschreiben
Gunthars und Thietgauds (der sogenannte Libellus), das den Bericht über die
Synode in Rom enthält, als auch die päpstliche Selbstdarstellung auf ein und
derselben politischen Kultur beruhten549. Diese These wird kritisch zu prüfen
sein.
Wir können heute nicht mehr entscheiden, ob der Papst „im Recht war" und
die Absetzung von Gunthar und Thietgaud begründet war550. Ebenso wenig, ob
die Synode von Rom eine „rechtmäßige Synode" war. Eine Erörterung der
Rechtmäßigkeit der Absetzung und die Frage nach objektiver „Gerechtigkeit"
führen offenbar in eine Sackgasse. Sehr viel gewinnbringender dürfte es sein,
sich mit den Vorstellungen vom König- und Bischofsamt und den Strategien der
Betroffenen nach der Absetzung auseinanderzusetzen.
im Fall Gunthars und Thietgauds nicht so vorgegangen worden ist: „von alldem hören wir...
nichts".
546 MGH Epp. 6, Nr. 59, S. 365.
547 Vgl. Georgi, Erzbischof Gunthar, S. 22. Zum Streit um den Primat vgl. auch Schneider, Erzbischof
Hinkmar, S. 87f., 90-92, 100 mit Hinweis auf ältere Literatur. Wolfgang Georgi bewertet das
Verhältnis Hinkmars zu Gunthar negativ wegen der Spannungen um die Besetzung des Bi-
schofsstuhls von Cambrai und dem Verfahren gegen Rothad von Soisson (bes. S. 22).
548 Vgl. Buc, Text and Ritual, bes. S. 128 ff.
549 Ebd., S. 129.
550 Vgl. die Bemerkungen Kottjes, der ironisch anmerkt, dass Nikolaus I. vielleicht besser die Ab-
sicht der Erzbischöfe Gunthar und Thietgaud durchschaut habe, als es uns heute auf Basis des
überlieferten Materials möglich sei (Recht, S. 103).