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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0185
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184

VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts

Gnade, dieses Volk gleichsam durch seine Lehren von der Untreue abzuwenden,
so dass er selbst die Gabe unveränderlich besitzen soll, ihre Könige oder Kaiser
einzusetzen. Während die heiligste Mutter Gottes dies sprach, erwachte der
obenerwähnte Bruder plötzlich".
Die Kritik an Ebo in dieser Vision kommt unterschwellig daher und bezieht
sich auf seine häufige Anwesenheit bei Hofe. Im Grunde hat Flodoard in dem
vorgegangenen Kapitel mit genau diesem Aspekt Ebos Amtstätigkeit besonders
positiv hervorgehoben: nahe an den Königen, in ständigem Kontakt mit dem Hof
verbesserte er die Situation seiner Kirche, bekam Kirchengut erstattet, die inse-
rierten Herrscherurkunden zeigen das Bild eines aktiven Reichsbischofs. In der
Vision wird genau diese Bild karikiert. Irgendwann wird eine Zeit kommen, in
der Ebo nicht mehr so oft am Hofe sein wird — die spätere Absetzung wird hier in
der Vision schon angedeutet.
Der Aufstand der Söhne gegen Ludwig wird in der Vision negativ bewertet
(Konflikte als Werk des Teufels), aber Ebos Rolle darin überhaupt nicht thema-
tisiert. Betont wird hingegen, dass nur Remigius die von Gott übertragene
Aufgabe hat, die Könige und Kaiser der Franken einzusetzen. Somit ist die bi-
schöfliche Zuständigkeit an sich nicht in Frage gestellt und mehr noch die be-
sondere Rolle von Reims hervorgehoben, nur dass die Absetzung des Kaisers an
sich nicht rechtmäßig war, da aus cupiditas begangen und, dass Ebo sich nicht als
seines Amtes würdig erwiesen hat, da er sich zu sehr an weltlichen Dingen
orientiert hat.
Die Wende in Ebos Stellung folgt auf den Fuß. In Flodoards Darstellung
sogar als Folge der Visio Raduini bzw. als Eintreten der Prophezeiung der
Jungfrau zu lesen. Die eigentliche Absetzung Ebos leitet Flodoard folgender-
maßen ein: Ebo wurde wegen Untreue gegen den Kaiser abgesetzt758 und er fährt
gleich fort: so wie er selbst vor einiger Zeit aus dem gleichen Grund (pro qua re)
Bischof Jesse von Amiens abgesetzt (und später restituiert) habe759. Ebo wird von
Flodoard an einem Maßstab gemessen, den er selbst angelegt hatte.
Die Aussagen zu den Gründen von Ebos Absetzung stellen Flodoards
Deutung des Geschehens dar. Zur Verarbeitung seiner karolingischen Quellen
geht er erst im Anschluss über760, um den Verlauf der Ereignisse nach der Ab-
setzung bis zu Ebos Tod zu schildern. Stuart Airlie hat abgeleitet, dass Flodoard
den Ebofall „simplifizieren" würde, indem er schlichte infidelitas als Grund

758 Flodoard, Historia Remensis, II c. 20, S. 183: Ebo propter huiuscemodi factum depositus est ab
episcopatu pro infideltitate imperatoris.

759 Diese Passage enthält zwar einige Theganzitate, doch bei Thegan wird der Begriff infidelitas in
Bezug auf Geistliche nur einmal verwendet: in der anonymen Forstsetzung anlässlich des Todes
Walas: „es starb Wala et ceteri nonnulti infidelium". Thegan, Gesta, S. 256, 2-3.Infidelitas findet sich
in vielen Wortvarianten bei Thegan, jedoch bezeichnet dies in der Regel ein Verhalten, das
Königssöhne, weltliche Große oder auch tributpflichtige Völker wie die Bretonen zeigen (vgl.
Register der Edition).

760 Flodoard, Historia Remensis, II, c. 20, S. 183-187. Vermutlich orientierte sich Flodoard an einem
verlorenen Hinkmarbrief über die Synode von Troyes 867, ebd., S. 183 mit Anm. 7.
 
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