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IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
tung Abbos auf dem Feld der Königsideologie. Er habe das karolingische Wissen
um das Königtum an die neue Zeit angepasst, und so in einer Zeit, in der
Westfranken und das Kaisertum sich auseinanderentwickelt hatten, eine Theorie
der Gleichrangigkeit von Königtum und Kaisertum aufgestellt1018.
Wie die Forschung gezeigt hat, übte Abbo verschiede Rollen aus. Er war Abt,
Hirte, Intellektueller, Verfassungs-Theoretiker, Komputist. Die verschiedenen
Rollen schlagen sich auch in seinen Texten nieder.
In der Forschung dominiert bislang die Ansicht, dass die Kapetinger die Nähe
zur monastischen Reformbewegung zwecks gezielter Instrumentalisierung zum
Gewinn von „Legitimation" für ihre Dynastie genutzt haben. Die Kapetinger
waren Klöstern wie Fleury bereits seit längerer Zeit schon als Herzöge von
Francien eng verbunden gewesen und hatten das karolingische Königskloster
schon vor der Erhebung Hugo Capets unterstützt1019. Hugo Capet pflegte jedoch
auch sehr enge Beziehungen zu Bischof Arnulf von Orleans, mit dem Abbo über
mehrere Jahre Konflikte austrug. Das Verhältnis zum kapetingischen Königtum
ist traditionell so gedeutet worden, dass die reformorientierten Äbte und Mön-
che der Königsklöster die neue Dynastie durch ihre Schriften unterstützten und
eine Allianz mit den Königen eingingen1020. Sie hätten die Bischöfe verdrängen
wollen1021. Die Könige, insbesondere Hugo Capet, seien jedoch noch auf die
Bischöfe angewiesen gewesen, die sie erhoben hätten und ließen diese in ihrem
Machtstreben gewähren. Erst Robert habe sich den Mönchen angenähert.
Die Schriften Abbos, besonders der Liber Apologeticus werden als Versuche
gedeutet, die Bischöfe vom Hof zu verdrängen. Diese Einschätzung geht maß-
geblich auf Abbos eigene Aussagen zurück. Aus Abbos Rechtfertigungsschrift
können wir erfahren, dass Arnulf von Orleans sich beschwert hatte, dass Abbo
ihm die königliche Gunst entzogen habe. Wir haben jedoch keine Möglichkeiten,
dies unabhängig von Abbos Schriften zu überprüfen. Der Streit zwischen Arnulf
und Abbo wurde jedoch von den Königen nicht direkt entschieden. Der Bischof
von Orleans blieb zumindest bis zum Tod von Hugo Capet 996 ein wichtiger
Verbündeter und enger politischer Vertrauter1022. Es geht daher wohl zu weit als
Folge des Apologeticus mit Mostert einen Niedergang des bischöflichen Ein-
flusses bei Hof sehen zu wollen1023 oder gar, dass Abbo den Königen rät, sich mit
den Mönchen gegen die Bischöfe zu verbünden, wie Paxton vermutet1024. Ob
Abbos Präsenz am Hof in Zusammenhang mit dem Erfolg des Apologeticus
steht, lässt sich nicht sagen, da nur eine Urkunde vorliegt, die er bezeugte und
1018 Schneidmüller, Karolingische Tradition, S. 71.
1019 Die Reform Fleurys von 938 unter Odo von Cluny soll auch auf Betreiben Hugo Magnus'
implementiert worden sein.
1020 So etwa gedeutet von Mostert, Political Theology.
1021 So die Grundhaltung bei Paxton, Abbas
1022 Arnulf war schon vor der Königserhebung eng mit dem damaligen Dux Hugo Capet verbunden.
Bis zu dessen Tod 996 findet er sich im engsten höfischen Umfeld. Vgl. Riche, Arnoul, S. 18, 20.
1023 So Mostert, Political Theology, S. 51 und 55, ihm folgt Dachowski, First among abbots, S. 145 und
150.
1024 Paxton, Abbas, bes. S. 210.
IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
tung Abbos auf dem Feld der Königsideologie. Er habe das karolingische Wissen
um das Königtum an die neue Zeit angepasst, und so in einer Zeit, in der
Westfranken und das Kaisertum sich auseinanderentwickelt hatten, eine Theorie
der Gleichrangigkeit von Königtum und Kaisertum aufgestellt1018.
Wie die Forschung gezeigt hat, übte Abbo verschiede Rollen aus. Er war Abt,
Hirte, Intellektueller, Verfassungs-Theoretiker, Komputist. Die verschiedenen
Rollen schlagen sich auch in seinen Texten nieder.
In der Forschung dominiert bislang die Ansicht, dass die Kapetinger die Nähe
zur monastischen Reformbewegung zwecks gezielter Instrumentalisierung zum
Gewinn von „Legitimation" für ihre Dynastie genutzt haben. Die Kapetinger
waren Klöstern wie Fleury bereits seit längerer Zeit schon als Herzöge von
Francien eng verbunden gewesen und hatten das karolingische Königskloster
schon vor der Erhebung Hugo Capets unterstützt1019. Hugo Capet pflegte jedoch
auch sehr enge Beziehungen zu Bischof Arnulf von Orleans, mit dem Abbo über
mehrere Jahre Konflikte austrug. Das Verhältnis zum kapetingischen Königtum
ist traditionell so gedeutet worden, dass die reformorientierten Äbte und Mön-
che der Königsklöster die neue Dynastie durch ihre Schriften unterstützten und
eine Allianz mit den Königen eingingen1020. Sie hätten die Bischöfe verdrängen
wollen1021. Die Könige, insbesondere Hugo Capet, seien jedoch noch auf die
Bischöfe angewiesen gewesen, die sie erhoben hätten und ließen diese in ihrem
Machtstreben gewähren. Erst Robert habe sich den Mönchen angenähert.
Die Schriften Abbos, besonders der Liber Apologeticus werden als Versuche
gedeutet, die Bischöfe vom Hof zu verdrängen. Diese Einschätzung geht maß-
geblich auf Abbos eigene Aussagen zurück. Aus Abbos Rechtfertigungsschrift
können wir erfahren, dass Arnulf von Orleans sich beschwert hatte, dass Abbo
ihm die königliche Gunst entzogen habe. Wir haben jedoch keine Möglichkeiten,
dies unabhängig von Abbos Schriften zu überprüfen. Der Streit zwischen Arnulf
und Abbo wurde jedoch von den Königen nicht direkt entschieden. Der Bischof
von Orleans blieb zumindest bis zum Tod von Hugo Capet 996 ein wichtiger
Verbündeter und enger politischer Vertrauter1022. Es geht daher wohl zu weit als
Folge des Apologeticus mit Mostert einen Niedergang des bischöflichen Ein-
flusses bei Hof sehen zu wollen1023 oder gar, dass Abbo den Königen rät, sich mit
den Mönchen gegen die Bischöfe zu verbünden, wie Paxton vermutet1024. Ob
Abbos Präsenz am Hof in Zusammenhang mit dem Erfolg des Apologeticus
steht, lässt sich nicht sagen, da nur eine Urkunde vorliegt, die er bezeugte und
1018 Schneidmüller, Karolingische Tradition, S. 71.
1019 Die Reform Fleurys von 938 unter Odo von Cluny soll auch auf Betreiben Hugo Magnus'
implementiert worden sein.
1020 So etwa gedeutet von Mostert, Political Theology.
1021 So die Grundhaltung bei Paxton, Abbas
1022 Arnulf war schon vor der Königserhebung eng mit dem damaligen Dux Hugo Capet verbunden.
Bis zu dessen Tod 996 findet er sich im engsten höfischen Umfeld. Vgl. Riche, Arnoul, S. 18, 20.
1023 So Mostert, Political Theology, S. 51 und 55, ihm folgt Dachowski, First among abbots, S. 145 und
150.
1024 Paxton, Abbas, bes. S. 210.