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IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
kann aus diesem Grund keine klaren monokausalen Abgrenzungen vornehmen:
Abbo hatte nicht generell etwas gegen Bischöfe, er schätzte viele Bischöfe sehr
und wurde von einigen von ihnen regelrecht verehrt. Fulbert von Chartres
verkehrte „mit dem gelehrten Abt im Rahmen einer individuellen sancta amic-
itia"1134. Offenbar hatte Abbo ihm diese Freundschaft aufgetragen, was Fulbert
als Geschenk empfand. Aber er wollte die Bindung ausdrücklich als Lehrer-
Schüler-Beziehung verstehen1135.
Auch auf politischer Ebene kann kein klares „Gegeneinander-Ausspielen"
von Bischöfen und Äbten weiter postuliert werden. Robert II. hat nicht einfach
„die" Mönche bevorzugt, wie u. a. seine Nähe zu Fulbert von Chartres zeigt. Die
verschiedenen Zusammenhänge und narrativen Strategien der Texte, auf deren
Grundlage das enge Verhältnis zwischen Robert und „dem" Mönchsstand in der
Forschung formuliert worden ist, müssen stärker berücksichtigt werden. Dazu
gehört es, die Schreibanlässe und die Erzählstrukturen bei Aimo, Helgald und
Andreas von Fleury zu untersuchen, was im nächsten Kapitel getan wird. Wenn
diese Autoren die Beziehung von Abbo zu Bischöfen oder von Fleury und seinen
Äbten zu Bischöfen darstellen, verfolgen sie eine bestimmte Absicht, es muss sich
nicht um die Darstellung „realer" persönlicher Beziehungen handeln. Die
Funktion innerhalb des Textes ist ausschlaggebend.
Es ist die persönliche Ebene des Umgangs von der Ebene der Konzeption in
den Texten zu unterscheiden. Die Texte selbst zeugen von Wissensaufbereitung
und Abbos Bemühungen als politischer Denker. Sie sind multifunktional. Sie
dienten Abbo zur Erlangung des päpstlichen Exemtionsprivilegs, zur Herstel-
lung von Nähe zum Königtum, zur Sicherung der Stellung von Fleury, zur Zu-
rückweisung bischöflicher Ansprüche und letztendlich dazu, sich selbst am Hof
im Gespräch zu halten. Sie sind gleichzeitig neue Wissensspeicher, die im Archiv
von Fleury für künftige Generationen bereit lagen.
1134 Steckel, Kulturen des Lehrens, S. 744 zum Konzept der Amtsnachfolge von Schülern. Gerbert
von Reims könnte in seiner Argumentation zu seiner Verteidigung auch auf das Lehrer-Schüler-
Verhältnis zu Adalbero von Reims angespielt haben (Adalbero habe sich gewünscht, dass er sein
Nachfolger wird).
1135 Fulbert von Chartres, Briefe, Nr. 1, S. 2 Exordium.
IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
kann aus diesem Grund keine klaren monokausalen Abgrenzungen vornehmen:
Abbo hatte nicht generell etwas gegen Bischöfe, er schätzte viele Bischöfe sehr
und wurde von einigen von ihnen regelrecht verehrt. Fulbert von Chartres
verkehrte „mit dem gelehrten Abt im Rahmen einer individuellen sancta amic-
itia"1134. Offenbar hatte Abbo ihm diese Freundschaft aufgetragen, was Fulbert
als Geschenk empfand. Aber er wollte die Bindung ausdrücklich als Lehrer-
Schüler-Beziehung verstehen1135.
Auch auf politischer Ebene kann kein klares „Gegeneinander-Ausspielen"
von Bischöfen und Äbten weiter postuliert werden. Robert II. hat nicht einfach
„die" Mönche bevorzugt, wie u. a. seine Nähe zu Fulbert von Chartres zeigt. Die
verschiedenen Zusammenhänge und narrativen Strategien der Texte, auf deren
Grundlage das enge Verhältnis zwischen Robert und „dem" Mönchsstand in der
Forschung formuliert worden ist, müssen stärker berücksichtigt werden. Dazu
gehört es, die Schreibanlässe und die Erzählstrukturen bei Aimo, Helgald und
Andreas von Fleury zu untersuchen, was im nächsten Kapitel getan wird. Wenn
diese Autoren die Beziehung von Abbo zu Bischöfen oder von Fleury und seinen
Äbten zu Bischöfen darstellen, verfolgen sie eine bestimmte Absicht, es muss sich
nicht um die Darstellung „realer" persönlicher Beziehungen handeln. Die
Funktion innerhalb des Textes ist ausschlaggebend.
Es ist die persönliche Ebene des Umgangs von der Ebene der Konzeption in
den Texten zu unterscheiden. Die Texte selbst zeugen von Wissensaufbereitung
und Abbos Bemühungen als politischer Denker. Sie sind multifunktional. Sie
dienten Abbo zur Erlangung des päpstlichen Exemtionsprivilegs, zur Herstel-
lung von Nähe zum Königtum, zur Sicherung der Stellung von Fleury, zur Zu-
rückweisung bischöflicher Ansprüche und letztendlich dazu, sich selbst am Hof
im Gespräch zu halten. Sie sind gleichzeitig neue Wissensspeicher, die im Archiv
von Fleury für künftige Generationen bereit lagen.
1134 Steckel, Kulturen des Lehrens, S. 744 zum Konzept der Amtsnachfolge von Schülern. Gerbert
von Reims könnte in seiner Argumentation zu seiner Verteidigung auch auf das Lehrer-Schüler-
Verhältnis zu Adalbero von Reims angespielt haben (Adalbero habe sich gewünscht, dass er sein
Nachfolger wird).
1135 Fulbert von Chartres, Briefe, Nr. 1, S. 2 Exordium.