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XII. Zusammenfassung: Anwendung von Wissen in der politischen Kultur
hundert in Westfranken geführten Verfahren gegen Bischöfe betrachtet (Hugo
und Artold von Reims 948 und Arnulf von Reims 991), sondern auch danach
gefragt, wer Wissen vom Bischofsamt hatte, aber kein Bischof war. Hierfür
wurde die Perspektive der Mönche aus den Reformkreisen des 10. Jahrhunderts
gewählt. Betrachtet wurden exemplarisch die Textproduktion aus Fleury sowie
die Diskussionen über den Umgang mit Kirchengut in verschiedenen Reform-
kreisen. Die Vorstellungen von der Wirksamkeit der Instrumente der Buße,
Beichte und Exkommunikation sowie Rekonziliation zur Aufrechterhaltung der
politischen Ordnung war in der Perspektive der Mönche weiterhin gegeben,
jedoch in der Vorstellung der Reformmönche nicht mehr an das Amt des Bischofs
gebunden. Das System der ecclesia wurde von den Mönchen aus den exem-
tionsorientierten Klöstern nicht mehr beruhend auf das Komplementärpaar von
König und Bischof bezogen, sondern die Vorstellungen wurden konkret in
Bezug auf die eigene Gemeinschaft in Fleury transformiert. Die Rolle des Papstes
blieb dabei nicht vage, sondern ihm wurde konkret der höchste Jurisdiktions-
primat zugesprochen. Eine Deutungshoheit des Standes der Bischöfe in recht-
lichen und moralischen Fragen haben die Mönche nicht akzeptiert. Abbo von
Fleury entwickelte als politischer Theoretiker neue Vorstellungen vom Bi-
schofsamt in monastischer Perspektive in seinen Werken. Dieses Wissen zeich-
nete sich vor allem durch eine neue Konzeption zum Umgang mit Kirchengut
aus: der Bischof ist nicht mehr länger der Wahrer von Frieden und Eintracht und
ebenso wenig zuständig dafür, dass das Kirchengut geschützt wird. Vielmehr
befindet sich dieses in der Sphäre der Heiligkeit und kann nur vom Patron
geschützt werden. Als Rechtsgarant auf Erden fungiert der Papst.
Über das Wesen des Bischofsamtes an sich (und das Bischofsbild) sowie die
komplexen Fragen, die rund um die Absetzungen diskutiert worden sind, in-
teressierte sich Abbo von Fleury, der hier exemplarisch betrachtet wurde, jedoch
im Grunde nicht. Es ging um metaphysische Hierarchien und ihre Abbildung auf
Erden. Die Apostelnachfolge der Bischöfe wurde von Abbo neu interpretiert.
Aber ob ein Bischof moralisch gefehlt hat und somit das Amt beschädigt werden
konnte oder nicht, war für ihn nicht von Belang.
Die besondere Bedeutung des Bischofssitzes von Reims wurde bei der Un-
tersuchung deutlich: die Möglichkeit des Zugriffs auf die Dokumente über ein
Archiv war ausschlaggebend für die Wissensorganisation und -anwendung. Das
Wissen muss gezielt für eine bestimmte Gruppe aktiviert werden, allein die
Überlieferung von Dokumenten reicht nicht aus. Reims war zwar ein bischöfli-
ches und königsnahes Zentrum, in dessen Archive Schlüsseltexte gespeichert
waren, die Konkretisierung von politischen Vorstellungen erfolgte aber erst
durch Gerbert von Reims anhand des überlieferten Materials.
XII. Zusammenfassung: Anwendung von Wissen in der politischen Kultur
hundert in Westfranken geführten Verfahren gegen Bischöfe betrachtet (Hugo
und Artold von Reims 948 und Arnulf von Reims 991), sondern auch danach
gefragt, wer Wissen vom Bischofsamt hatte, aber kein Bischof war. Hierfür
wurde die Perspektive der Mönche aus den Reformkreisen des 10. Jahrhunderts
gewählt. Betrachtet wurden exemplarisch die Textproduktion aus Fleury sowie
die Diskussionen über den Umgang mit Kirchengut in verschiedenen Reform-
kreisen. Die Vorstellungen von der Wirksamkeit der Instrumente der Buße,
Beichte und Exkommunikation sowie Rekonziliation zur Aufrechterhaltung der
politischen Ordnung war in der Perspektive der Mönche weiterhin gegeben,
jedoch in der Vorstellung der Reformmönche nicht mehr an das Amt des Bischofs
gebunden. Das System der ecclesia wurde von den Mönchen aus den exem-
tionsorientierten Klöstern nicht mehr beruhend auf das Komplementärpaar von
König und Bischof bezogen, sondern die Vorstellungen wurden konkret in
Bezug auf die eigene Gemeinschaft in Fleury transformiert. Die Rolle des Papstes
blieb dabei nicht vage, sondern ihm wurde konkret der höchste Jurisdiktions-
primat zugesprochen. Eine Deutungshoheit des Standes der Bischöfe in recht-
lichen und moralischen Fragen haben die Mönche nicht akzeptiert. Abbo von
Fleury entwickelte als politischer Theoretiker neue Vorstellungen vom Bi-
schofsamt in monastischer Perspektive in seinen Werken. Dieses Wissen zeich-
nete sich vor allem durch eine neue Konzeption zum Umgang mit Kirchengut
aus: der Bischof ist nicht mehr länger der Wahrer von Frieden und Eintracht und
ebenso wenig zuständig dafür, dass das Kirchengut geschützt wird. Vielmehr
befindet sich dieses in der Sphäre der Heiligkeit und kann nur vom Patron
geschützt werden. Als Rechtsgarant auf Erden fungiert der Papst.
Über das Wesen des Bischofsamtes an sich (und das Bischofsbild) sowie die
komplexen Fragen, die rund um die Absetzungen diskutiert worden sind, in-
teressierte sich Abbo von Fleury, der hier exemplarisch betrachtet wurde, jedoch
im Grunde nicht. Es ging um metaphysische Hierarchien und ihre Abbildung auf
Erden. Die Apostelnachfolge der Bischöfe wurde von Abbo neu interpretiert.
Aber ob ein Bischof moralisch gefehlt hat und somit das Amt beschädigt werden
konnte oder nicht, war für ihn nicht von Belang.
Die besondere Bedeutung des Bischofssitzes von Reims wurde bei der Un-
tersuchung deutlich: die Möglichkeit des Zugriffs auf die Dokumente über ein
Archiv war ausschlaggebend für die Wissensorganisation und -anwendung. Das
Wissen muss gezielt für eine bestimmte Gruppe aktiviert werden, allein die
Überlieferung von Dokumenten reicht nicht aus. Reims war zwar ein bischöfli-
ches und königsnahes Zentrum, in dessen Archive Schlüsseltexte gespeichert
waren, die Konkretisierung von politischen Vorstellungen erfolgte aber erst
durch Gerbert von Reims anhand des überlieferten Materials.