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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0049
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2. Inzest und Ehe

ten, in denen Boretius commatre liest, ist das com- entweder abgekürzt oder ist
eher ein cum zu erkennen.13
Boretius hat seinen Apparat an der Stelle nicht sehr übersichtlich gestaltet.
Nach Anmerkung b sollen drei Handschriften als Alternative de matre statt
commatre beziehungsweise cum matre bieten.14 Hierbei handelt es sich jedoch
nicht um eine alternative Variante, sondern vielmehr um einen Textausfall der
Worte istis causis de Deo sacrata aut com-/cum. Um die Varianten angemessen
beurteilen zu können, müssen die Anmerkungen a und b im Apparat von Bo-
retius gemeinsam betrachtet werden. Das de vor matre in diesen Handschriften ist
das de, das eigentlich vor istis hätte stehen müssen. Die ausgefallene Textmenge
deutet auf einen Zeilensprung hin. Das heißt, dass in der Vorlage dieser Über-
lieferungsgruppe ein Zeilenwechsel zwischen com-Zcum und matre vorgelegen
haben muss. Zwar ist in diesen vier Handschriften sicher von der Mutter die
Rede, doch spiegeln sie auf jeden Fall eine sekundäre Entwicklung wider.
Alle anderen Handschriften bieten commatre, cum matre oder cmatre. Eine
Aussage darüber, ob die Vorlage der Handschriftengruppe mit de matre die Silbe
com-lcum als Präfix oder als Präposition verstand, beziehungsweise ob die Silbe
ausgeschrieben oder abgekürzt war, lässt sich nicht treffen. Die Handschriften
mit commatre, cum matre oder cmatre lassen sich weiter unterteilen. Die beiden
Handschriften Gi und V2 bieten den Text cum matre sua de fönte et confirmatione.
Hier steht zwar eindeutig matre, doch ist nicht die Mutter, sondern die Patin
gemeint. Diese Lesart ist ebenfalls sekundär.
In den übrigen Handschriften wird eindeutig zwischen der fraglichen Person
und der Patin differenziert. Da die Silben cum und com einerseits häufig von
mittelalterlichen Schreibern verwechselt und andererseits oft und vor allem auf
gleiche Weise abgekürzt wurden, lässt sich aufgrund des paläographischen Be-
fundes allein keine Aussage darüber treffen, was der originale Wortlaut des
Kapitulars gewesen sein mag.
Die Struktur der Liste bietet keine Entscheidungshilfe. In dem einen Fall
würden auf die Gott geweihte Frau erstens die Mutter, sei es leiblich, sei es durch
die Taufe oder Firmung, zweitens Schwiegerverwandte und drittens leibliche
Verwandte folgen. In dem anderen Fall würden auf die Gott geweihte Frau
erstens durch Taufe oder Firmung zustande gekommene Verwandte, zweitens
Schwiegerverwandte und drittens leibliche Verwandte folgen. Ein Argument für
cum matre könnte sein, dass vor commatre keine Präposition stünde, doch ist
dieses Argument nicht zwingend. Zum einen steht zwar bei den meisten, aber
eben nicht bei allen übrigen ausgeschlossenen Frauen eine Präposition, zum
andere ließe sich das bloße commatre als Haplographie aus cum commatre erklä-
ren. Gegen die Mutter spricht, dass das Verbot einer Ehe mit der eigenen Mutter
eigentlich so selbstverständlich ist, dass es nicht mehr explizit geregelt werden
muss. Außerdem fehlen andere enge leibliche Verwandtschaftsgrade wie die

13 Es handelt sich um die Handschriften P, V2 und V20.

14 Es handelt sich um die Handschriften M, P und V. Hinzu kommt die Handschrift He, die von
Boretius nicht verwendet wurde.
 
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