2.1 Verbotene Verbindungen im Königskapitular
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Tochter oder die Schwester in der Auflistung.15 Doch strebt die Liste erstens nicht
nach Vollständigkeit und zweitens ließen sich auch Parallelen finden, in denen
der Inzest mit der eigenen Mutter thematisiert wird.16 Auch wenn der Faden der
Überlieferung sehr dünn ist, spricht doch mehr für die commater als für die mater,
so dass die folgende Untersuchung der einzelnen verbotenen Verbindungen auf
dem Obertext von Boretius beruhen kann.
Der erste Punkt der Liste (de deo sacrata) bietet keinerlei sprachliche Ver-
ständnisschwierigkeiten. Bereits im Prolog der römischen Konzils von 721
wurden die deo sacratas feminas den propinquas vorangestellt.17 Eindeutig zu be-
stimmen sind auch die commater und die eigene Patin, die als Punkt 2 und 3 in der
Liste genannt sind. Es spricht nichts dagegen, die Spezifizierung de fönte et con-
firmatione episcopi sowohl auf die commater als auch die matrina spiritalis zu be-
ziehen. Das gesonderte Verbot für den Fall der Tauf- wie der Firmpatenschaft
zeigt, dass den besonderen fränkischen Verhältnissen in Bezug auf die Firmung
Rechnung getragen wurde.18 Aufgrund der Größe der Diözesen wurde die Fir-
mung im Frankenreich anders als in Rom in der Regel nicht zeitgleich mit der
Taufe, sondern mit einigem Abstand gespendet,19 so dass Tauf- und Firmpaten
anders als südlich der Alpen nicht identisch sein mussten.20
Die Punkte 4 und 5 der Liste zielen auf die Schwiegerverwandtschaft. Durch
eine Ehe mit einer Frau entsteht eine verwandtschaftliche Beziehung zu ihrer
Mutter, Tochter oder Schwester. Gegenüber diesen Frauen (Schwiegermutter,
Stieftochter und Schwägerin) besteht auch nach dem Tod der Frau ein Ehehin-
dernis. Anders fasst Ines Weber Punkt 4 (cum matre etfilia) auf. Für sie geht es hier
15 Zur Interpretation Ines Webers, dass die Liste an spätere Stelle Verbindungen mit der eigenen
Mutter und mit der eigenen Tochter verbietet vgl. unten Anm. 21.
16 Die sogenannten Capitula Karoli Magni aus den Jahren 803-813 thematisieren beispielsweise
eindeutig den Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Vgl. Capitula Karoli Magni c. 3, in: MGH
Capit. 1, Nr. 56, S. 143 Z. 17-19: Si quis homo liber peccato imminente, quod absit, patrem aut matrem,
avunculum vel nepotem interfecerit, hereditatem propriam amittat. Et si quis mechatus fuerit matrem,
sororem, amitam aut neptam, similiter hereditatem perdat.
17 Concilium Romanum a. 721 prol., in: Sacrorum conciliorum collectio, Sp. 262: Hine namque est,
quod ingemiscens dico, quia populi Christiani aliquos per provinciam Italiam commorantes, audio temere
contra catholicam fidem et patrum statuta patrare [peccare], ita ut Deo sacratas feminas ducere prae-
sumant mulieres, et propinquas in coniugio socient. Die erste drei Kanones sind daher auch dem
Ehevebot mit der presbytera, der diacona und der monacha gewidmet.
18 Die römischen Synoden von 721 und 743 sowie das im Codex Carolinus überlieferte Antwort-
schreiben des Papstes Zacharias sprachen noch pauschal von der spiritalis commater. Vgl. Con-
cilium Romanum a. 721 c. 4, in: Sacrorum conciliorum collectio, Sp. 263: Si quis commatrem
spiritalem duxerit in coniugium, anathema sit. Et responderunt omnes tertio: Anathema sit. Concilium
Romanum a. 743 c. 5, in: MGH Cone. 2,1, S. 13 Z. 16 f.: V. capitulo, ut presbyteram, diaconam, nonnam
aut monacham vel etiam spiritalem commatrem nullus praesumat nefario coniugio copulari. Codex
Carolinus Nr. 3, c. 22, S. 485 Z. 31-36: [...] Sed nee spiritalem cummatrem aut filiam, quod absit, quis
ducat temerario ausu uxorem; est namque nefas et perneciosum peccatum coram Deo et angelis euis. In
tantum enim grave est, ut nullus sanctorum patrum atque sacrarum sinodorum adsertiones vel etiam in
imperialibus legibus quippiam iudicatum sit; sed, terribile Dei iudicium metuentes, siluerunt sententiam
dare.
19 Vgl. Angenendt, Rex et sacerdos, S. 106 f.
20 Vgl. Ubl, Schatten, S. 415.
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Tochter oder die Schwester in der Auflistung.15 Doch strebt die Liste erstens nicht
nach Vollständigkeit und zweitens ließen sich auch Parallelen finden, in denen
der Inzest mit der eigenen Mutter thematisiert wird.16 Auch wenn der Faden der
Überlieferung sehr dünn ist, spricht doch mehr für die commater als für die mater,
so dass die folgende Untersuchung der einzelnen verbotenen Verbindungen auf
dem Obertext von Boretius beruhen kann.
Der erste Punkt der Liste (de deo sacrata) bietet keinerlei sprachliche Ver-
ständnisschwierigkeiten. Bereits im Prolog der römischen Konzils von 721
wurden die deo sacratas feminas den propinquas vorangestellt.17 Eindeutig zu be-
stimmen sind auch die commater und die eigene Patin, die als Punkt 2 und 3 in der
Liste genannt sind. Es spricht nichts dagegen, die Spezifizierung de fönte et con-
firmatione episcopi sowohl auf die commater als auch die matrina spiritalis zu be-
ziehen. Das gesonderte Verbot für den Fall der Tauf- wie der Firmpatenschaft
zeigt, dass den besonderen fränkischen Verhältnissen in Bezug auf die Firmung
Rechnung getragen wurde.18 Aufgrund der Größe der Diözesen wurde die Fir-
mung im Frankenreich anders als in Rom in der Regel nicht zeitgleich mit der
Taufe, sondern mit einigem Abstand gespendet,19 so dass Tauf- und Firmpaten
anders als südlich der Alpen nicht identisch sein mussten.20
Die Punkte 4 und 5 der Liste zielen auf die Schwiegerverwandtschaft. Durch
eine Ehe mit einer Frau entsteht eine verwandtschaftliche Beziehung zu ihrer
Mutter, Tochter oder Schwester. Gegenüber diesen Frauen (Schwiegermutter,
Stieftochter und Schwägerin) besteht auch nach dem Tod der Frau ein Ehehin-
dernis. Anders fasst Ines Weber Punkt 4 (cum matre etfilia) auf. Für sie geht es hier
15 Zur Interpretation Ines Webers, dass die Liste an spätere Stelle Verbindungen mit der eigenen
Mutter und mit der eigenen Tochter verbietet vgl. unten Anm. 21.
16 Die sogenannten Capitula Karoli Magni aus den Jahren 803-813 thematisieren beispielsweise
eindeutig den Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Vgl. Capitula Karoli Magni c. 3, in: MGH
Capit. 1, Nr. 56, S. 143 Z. 17-19: Si quis homo liber peccato imminente, quod absit, patrem aut matrem,
avunculum vel nepotem interfecerit, hereditatem propriam amittat. Et si quis mechatus fuerit matrem,
sororem, amitam aut neptam, similiter hereditatem perdat.
17 Concilium Romanum a. 721 prol., in: Sacrorum conciliorum collectio, Sp. 262: Hine namque est,
quod ingemiscens dico, quia populi Christiani aliquos per provinciam Italiam commorantes, audio temere
contra catholicam fidem et patrum statuta patrare [peccare], ita ut Deo sacratas feminas ducere prae-
sumant mulieres, et propinquas in coniugio socient. Die erste drei Kanones sind daher auch dem
Ehevebot mit der presbytera, der diacona und der monacha gewidmet.
18 Die römischen Synoden von 721 und 743 sowie das im Codex Carolinus überlieferte Antwort-
schreiben des Papstes Zacharias sprachen noch pauschal von der spiritalis commater. Vgl. Con-
cilium Romanum a. 721 c. 4, in: Sacrorum conciliorum collectio, Sp. 263: Si quis commatrem
spiritalem duxerit in coniugium, anathema sit. Et responderunt omnes tertio: Anathema sit. Concilium
Romanum a. 743 c. 5, in: MGH Cone. 2,1, S. 13 Z. 16 f.: V. capitulo, ut presbyteram, diaconam, nonnam
aut monacham vel etiam spiritalem commatrem nullus praesumat nefario coniugio copulari. Codex
Carolinus Nr. 3, c. 22, S. 485 Z. 31-36: [...] Sed nee spiritalem cummatrem aut filiam, quod absit, quis
ducat temerario ausu uxorem; est namque nefas et perneciosum peccatum coram Deo et angelis euis. In
tantum enim grave est, ut nullus sanctorum patrum atque sacrarum sinodorum adsertiones vel etiam in
imperialibus legibus quippiam iudicatum sit; sed, terribile Dei iudicium metuentes, siluerunt sententiam
dare.
19 Vgl. Angenendt, Rex et sacerdos, S. 106 f.
20 Vgl. Ubl, Schatten, S. 415.