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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0095
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3. Zölle

durcheinander — wurde von der Forschung kontrovers diskutiert.196 Auch wenn
ihre Deutung als Anzeigerlohn zu denjenigen Interpretationen zählt, denen die
Forschung höhere Plausibilität zuspricht,197 lässt sie sich nicht beweisen. Unab-
hängig von der Frage, was die Delatura der Lex Salica ist, muss festgehalten
werden, dass sie wie der Schadensersatz (capitale) zusätzlich zur eigentlichen
Buße zu zahlen ist,198 während im Kapitular die 30 Solidi von der Strafzahlung
abgezogen werden. Es spricht daher alles dafür, dass kein Zusammenhang
zwischen der Delatura und der Strafregelung im Zollkapitel besteht.
Der Rechtsstatus von Zeugen war für die Bemessung ihrer Glaubwürdigkeit
alles andere als unbedeutend.199 Wenn mit qualiscumque homo also ausdrücklich
festgelegt worden wäre, dass der Rechtsstatus desjenigen, der comprobaverit,
keine Rolle spielen soll, wäre es für das Opfer leichter, Zeugen zu stellen. Denn
diese könnten, wenn Pilger in Gruppen reisen, wohl ebenfalls aus Fremden be-
stehen. Das qualiscumque homo könnte also das Problem antizipieren, dass der
Rechtsstatus von Ortsfremden nur schwer zu ermitteln war. Dass dies auch sonst
nicht immer einfach war, wird im Eherecht deutlich, das ausdrücklich die
Scheidung erlaubt, wenn die eine Person über den unfreien Rechtsstatus der
anderen im Unklaren war.200
Auch bei einem Bruch der ersten Regel wäre der Rechtsstatus der beteiligten
Personen interessant. Denn die einfachen Lebensmitteltransporte und die
Transporte mit Karren und Saumtieren ohne Handelsabsicht dürften häufig von
Unfreien durchgeführt worden sein. Opfer wie auch Zeugen dürften hier also
ebenfalls häufig von einem niedrigeren Rechtsstatus gewesen sein. Auch für die
Ahndung von Verstößen gegen die erste Regelung des Kapitels ist also das
qualiscumque homo von Belang. Doch wenn die Transporte für andere, seien es
Laien oder Kirchen und Klöster, durchgeführt wurden, war das eigentliche
Opfer der illegalen Zollerhebung anders als die Zeugen von freiem Stand.
Die knappe Formulierung des Kapitulars und das Fehlen anderer Quellen,
die Licht auf die Regelungen des Königskapitulars werfen könnten, macht eine
Entscheidung, wem die 30 Solidi zugesprochen werden sollten, nicht einfach.
Unabhängig von dieser Frage muss jedoch festgehalten werden, wie außerge-
wöhnlich es ist, dass die Hälfte des Königsbanns abgetreten werden sollte.

3.3 Zölle auf dem Konzil von Ver
Den halben Königsbann abzutreten, ist nicht nur im Vergleich mit der Sanktio-
nierung anderer Vergehen in den Kapitularien und der Lex Salica außerge-
wöhnlich, sondern sticht insbesondere auch unter den weiteren Anordnungen

196 Vgl. zuletzt Ubl, Sinnstiftungen, S. 80 mit Anm. 73.

197 Vgl. beispielsweise Schmidt-Wiegand, Delatura.

198 Vgl. Ubl, Sinnstiftungen, S. 77.

199 Vgl. Brunner — Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 533f.

200 Vgl. beispielsweise Decretum Compendiense c. 7, in: MGH Capit. 1, Nr. 15, S. 38 Z. 12-14.
 
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