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4. Münzen
4.4 Zwischenfazit
Die in diesem Kapitel besprochenen Münzen verdeutlichen zwei methodische
Probleme im Bereich der Numismatik. Das eine Problem ist darin begründet,
dass die Quellenbasis anders als bei anderen mittelalterlichen Quellengattungen
stetig wächst. Hier besteht die Gefahr, die Neufunde in die seit Jahrzehnten
gewachsenen Konzepte und Deutungen zu integrieren, anstatt mithilfe der
neuen Quellen die auf schlechterer Quellenbasis entwickelten Konzepte und
Deutungen zu hinterfragen. Das zweite Problem entsteht durch die starke Fo-
kussierung der Numismatik auf Dynastien. Diese Fokussierung zieht sich durch
alle Bereiche der Numismatik, von den Sammlern über die wissenschaftlichen
Sammlungen bis hin zur Forschung und den einschlägigen Handbüchern und
Katalogen. Pippins Münzreform bildet genau die Grenze zwischen den ,mero-
wingischen' und den ,karolingischen' Münzen. Die Orientierung an den Dy-
nastien wertet Pippins Reform als Zäsur stark auf und lässt die Kontinuitäten in
den Hintergrund treten.
Das Königskapitular beleuchtet nur einen Ausschnitt der Münzpolitik Pip-
pins und zeigt, dass Pippin bereits kurz nach dem Dynastiewechsel eine
Münzpolitik betrieb, mit der er sich von seinen merowingischen Vorgängern
deutlich absetzte. Dabei scheinen wirtschaftliche und finanzielle Motive eher im
Hintergrund gestanden zu haben. Einerseits gibt es keine Anzeichen, dass mit
der 1 zu 22-Relation zwischen Pfund und Solidus eine gezielte Verbesserung und
Förderung des Handels intendiert war, wobei hier die Unkenntnis über die
Metrologie des merowingischen Silberdenars die Beurteilungsmöglichkeiten
einschränkt. Andererseits deutet auch nichts darauf hin, dass Pippin das Um-
prägen älterer Münzen in neue Denare mit seinem Namen in erster Linie als
lukrative Einnahmequelle betrachtete. Zwar stand dem Monetär eine Gebühr in
Höhe von einem Solidus pro Pfund ausgeprägter Münzen zu, doch gibt es kei-
nerlei zeitgenössische Quellen, die darauf hindeuten könnten, dass diese Gebühr
oder zumindest ein Teil davon in die Kasse des Königs floss.
Die ältere Forschung vertrat oft die Ansicht, dass Pippin die Münzprägung
wieder unter staatliche Aufsicht stellte, während die Prägung des merowingi-
schen Silberdenars in privaten Händen gelegen habe, und erkannte in diesem
Punkt den großen Fortschritt von Pippins Münzpolitik. Inwieweit eine Dicho-
tomie zwischen privat und staatlich für das 8. Jahrhundert überhaupt sinnvoll
ist, sei dahingestellt. Zumindest ist sie jedoch für die Beurteilung der Münzre-
form Pippins nicht hilfreich. Über die hinter diesen Veränderungen in der Mitte
des 8. Jahrhunderts stehenden rechtlichen Voraussetzungen ist nichts bekannt.
Die klassische Deutung ist, dass Pippin das Recht, Münzen zu prägen, wieder an
den König, also an sich zog.292 Doch fand die Münzprägung weiterhin dezentral
an recht vielen Münzstätten statt. Die Frage ist, wie die Prägetätigkeit vor Ort
rechtlich einzustufen ist. Dort, wo wie in Trier und Angers die Umsetzung der
292 Vgl. Volz, Münzhoheit, S. 162.
4. Münzen
4.4 Zwischenfazit
Die in diesem Kapitel besprochenen Münzen verdeutlichen zwei methodische
Probleme im Bereich der Numismatik. Das eine Problem ist darin begründet,
dass die Quellenbasis anders als bei anderen mittelalterlichen Quellengattungen
stetig wächst. Hier besteht die Gefahr, die Neufunde in die seit Jahrzehnten
gewachsenen Konzepte und Deutungen zu integrieren, anstatt mithilfe der
neuen Quellen die auf schlechterer Quellenbasis entwickelten Konzepte und
Deutungen zu hinterfragen. Das zweite Problem entsteht durch die starke Fo-
kussierung der Numismatik auf Dynastien. Diese Fokussierung zieht sich durch
alle Bereiche der Numismatik, von den Sammlern über die wissenschaftlichen
Sammlungen bis hin zur Forschung und den einschlägigen Handbüchern und
Katalogen. Pippins Münzreform bildet genau die Grenze zwischen den ,mero-
wingischen' und den ,karolingischen' Münzen. Die Orientierung an den Dy-
nastien wertet Pippins Reform als Zäsur stark auf und lässt die Kontinuitäten in
den Hintergrund treten.
Das Königskapitular beleuchtet nur einen Ausschnitt der Münzpolitik Pip-
pins und zeigt, dass Pippin bereits kurz nach dem Dynastiewechsel eine
Münzpolitik betrieb, mit der er sich von seinen merowingischen Vorgängern
deutlich absetzte. Dabei scheinen wirtschaftliche und finanzielle Motive eher im
Hintergrund gestanden zu haben. Einerseits gibt es keine Anzeichen, dass mit
der 1 zu 22-Relation zwischen Pfund und Solidus eine gezielte Verbesserung und
Förderung des Handels intendiert war, wobei hier die Unkenntnis über die
Metrologie des merowingischen Silberdenars die Beurteilungsmöglichkeiten
einschränkt. Andererseits deutet auch nichts darauf hin, dass Pippin das Um-
prägen älterer Münzen in neue Denare mit seinem Namen in erster Linie als
lukrative Einnahmequelle betrachtete. Zwar stand dem Monetär eine Gebühr in
Höhe von einem Solidus pro Pfund ausgeprägter Münzen zu, doch gibt es kei-
nerlei zeitgenössische Quellen, die darauf hindeuten könnten, dass diese Gebühr
oder zumindest ein Teil davon in die Kasse des Königs floss.
Die ältere Forschung vertrat oft die Ansicht, dass Pippin die Münzprägung
wieder unter staatliche Aufsicht stellte, während die Prägung des merowingi-
schen Silberdenars in privaten Händen gelegen habe, und erkannte in diesem
Punkt den großen Fortschritt von Pippins Münzpolitik. Inwieweit eine Dicho-
tomie zwischen privat und staatlich für das 8. Jahrhundert überhaupt sinnvoll
ist, sei dahingestellt. Zumindest ist sie jedoch für die Beurteilung der Münzre-
form Pippins nicht hilfreich. Über die hinter diesen Veränderungen in der Mitte
des 8. Jahrhunderts stehenden rechtlichen Voraussetzungen ist nichts bekannt.
Die klassische Deutung ist, dass Pippin das Recht, Münzen zu prägen, wieder an
den König, also an sich zog.292 Doch fand die Münzprägung weiterhin dezentral
an recht vielen Münzstätten statt. Die Frage ist, wie die Prägetätigkeit vor Ort
rechtlich einzustufen ist. Dort, wo wie in Trier und Angers die Umsetzung der
292 Vgl. Volz, Münzhoheit, S. 162.