5.6 Pippins Sorge um die Rechtspflege
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Dennoch ist Weitzel in einem Punkt zuzustimmen, und zwar darin, dass der
Hausmeier nicht den Vorsitz im Königsgericht innehatte. Denn es spricht viel
dafür, dass das Hausmeiergericht schon unter Karl Martell das Königsgericht
abgelöst hatte. Die fünfeinhalb Jahre ohne König dürften also für das Gerichts-
wesen überhaupt keine Rolle gespielt haben. Nach dem Dynastiewechsel wurde
dann das Hausmeiergericht unter dem Vorsitz des Hausmeiers Pippin wieder
von einem Königsgericht unter dem Vorsitz des Königs Pippin abgelöst. Der
Dynastiewechsel hatte also weder eine Auswirkung auf den Vorsitz des
,höchsten Gerichts' noch auf dessen Verfahrensablauf oder die Rolle des Vor-
sitzenden. Trotz der geringen Unterschiede ist das einzige, was sich wirklich
verändert hat, die Bezeichnung des Gerichts, zumindest in der Forschungslite-
ratur.
Die Quellen liefern einen anderen Befund. Die in den Placita vor und nach
dem Dynastiewechsel verwendeten Bezeichnungen für das Gericht zielen ei-
gentlich stets in erster Linie auf die konkrete Person Pippin ab und nicht auf
seinen jeweiligen Titel, auch wenn dieser natürlich teilweise zusammen mit
seinem Namen genannt wird.302 In der Gerichtshalterformel heißt es, dass der
Herrscher zusammen mit seinen Vornehmen und Getreuen zu Gericht sitzt. In
der Rechtsfindungsformel, die in der 1. Person Plural formuliert ist, heißt es, dass
„wir zusammen mit unseren Vornehmen und Getreuen urteilen, dass usw." Ein
Gericht als Institution hingegen wird nie genannt. Diese Beobachtungen legen
nahe, solch abstrakte juristische Begriffe wie Hausmeier- und Königsgericht eher
zu vermeiden und besser vom Gericht des Herrschers zu sprechen, also vom
Gericht desjenigen, der wirklich die Macht im Frankenreich hatte. Und dies war
in den Jahren sowohl vor als auch nach dem Dynastiewechsel eindeutig Pippin.
5.6 Pippins Sorge um die Rechtspflege
Es ist nicht möglich, Kapitel 6 und 7 des Königskapitulars mit einem einzigen
Motiv Pippins erklären zu wollen. Die Klosterpolitik Pippins bildet den politi-
schen Hintergrund für Kapitel 6 des Königskapitulars. Als Mittel der Macht-
politik können Immunitäten nur wirken, wenn es nicht bei der bloßen Ausstel-
lung von Urkunden bleibt, sondern die Immunitäten vor Ort auch beachtet
werden. Ut emunitates conservatae sint. Wird dieser kurze Beschluss nicht nur auf
die bereits bestehenden Immunitäten, sondern auf auch neu verliehene, wie-
derhergestellte, bestätigte oder noch zu verleihende Immunitäten bezogen, so
zeigt sich die politische Bedeutung dieses Kapitels.
Erst als König scheint Pippin über die Möglichkeit verfügt zu haben, Im-
munitäten zu verleihen oder zu bestätigen. Seine Klosterpolitik beruhte im
302 Selbst Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 227, betont die fehlende Bezeichnung des Gerichts in den
Quellen: „Das Königsgericht tritt uns in den Gerichtsurkunden der merowingischen und ka-
rolingischen Herrscher weniger mit einem Namen als vielmehr in der Beschreibung eines Ge-
schehens entgegen."
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Dennoch ist Weitzel in einem Punkt zuzustimmen, und zwar darin, dass der
Hausmeier nicht den Vorsitz im Königsgericht innehatte. Denn es spricht viel
dafür, dass das Hausmeiergericht schon unter Karl Martell das Königsgericht
abgelöst hatte. Die fünfeinhalb Jahre ohne König dürften also für das Gerichts-
wesen überhaupt keine Rolle gespielt haben. Nach dem Dynastiewechsel wurde
dann das Hausmeiergericht unter dem Vorsitz des Hausmeiers Pippin wieder
von einem Königsgericht unter dem Vorsitz des Königs Pippin abgelöst. Der
Dynastiewechsel hatte also weder eine Auswirkung auf den Vorsitz des
,höchsten Gerichts' noch auf dessen Verfahrensablauf oder die Rolle des Vor-
sitzenden. Trotz der geringen Unterschiede ist das einzige, was sich wirklich
verändert hat, die Bezeichnung des Gerichts, zumindest in der Forschungslite-
ratur.
Die Quellen liefern einen anderen Befund. Die in den Placita vor und nach
dem Dynastiewechsel verwendeten Bezeichnungen für das Gericht zielen ei-
gentlich stets in erster Linie auf die konkrete Person Pippin ab und nicht auf
seinen jeweiligen Titel, auch wenn dieser natürlich teilweise zusammen mit
seinem Namen genannt wird.302 In der Gerichtshalterformel heißt es, dass der
Herrscher zusammen mit seinen Vornehmen und Getreuen zu Gericht sitzt. In
der Rechtsfindungsformel, die in der 1. Person Plural formuliert ist, heißt es, dass
„wir zusammen mit unseren Vornehmen und Getreuen urteilen, dass usw." Ein
Gericht als Institution hingegen wird nie genannt. Diese Beobachtungen legen
nahe, solch abstrakte juristische Begriffe wie Hausmeier- und Königsgericht eher
zu vermeiden und besser vom Gericht des Herrschers zu sprechen, also vom
Gericht desjenigen, der wirklich die Macht im Frankenreich hatte. Und dies war
in den Jahren sowohl vor als auch nach dem Dynastiewechsel eindeutig Pippin.
5.6 Pippins Sorge um die Rechtspflege
Es ist nicht möglich, Kapitel 6 und 7 des Königskapitulars mit einem einzigen
Motiv Pippins erklären zu wollen. Die Klosterpolitik Pippins bildet den politi-
schen Hintergrund für Kapitel 6 des Königskapitulars. Als Mittel der Macht-
politik können Immunitäten nur wirken, wenn es nicht bei der bloßen Ausstel-
lung von Urkunden bleibt, sondern die Immunitäten vor Ort auch beachtet
werden. Ut emunitates conservatae sint. Wird dieser kurze Beschluss nicht nur auf
die bereits bestehenden Immunitäten, sondern auf auch neu verliehene, wie-
derhergestellte, bestätigte oder noch zu verleihende Immunitäten bezogen, so
zeigt sich die politische Bedeutung dieses Kapitels.
Erst als König scheint Pippin über die Möglichkeit verfügt zu haben, Im-
munitäten zu verleihen oder zu bestätigen. Seine Klosterpolitik beruhte im
302 Selbst Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 227, betont die fehlende Bezeichnung des Gerichts in den
Quellen: „Das Königsgericht tritt uns in den Gerichtsurkunden der merowingischen und ka-
rolingischen Herrscher weniger mit einem Namen als vielmehr in der Beschreibung eines Ge-
schehens entgegen."