5.4 Nachwirkung auf dem Konzil von Ver 755
191
des Königs gestellt, während in der langobardischen Regelung eine Geldbuße an
den Richter festgelegt wird und die Prügelstrafe nur dann zum Einsatz kommen
soll, wenn der Betroffene die Geldbuße nicht aufbringen kann. Natürlich ist in
beiden Texten von der Prügelstrafe die Rede, doch hat die Androhung der
Prügelstrafe im Königskapitular, wie gezeigt wurde, einen anderen Charakter
als die bei Ratchis genannte Möglichkeit, eine Geldbuße in eine Prügelstrafe
umzuwandeln.
Eine Ähnlichkeit in diesen Punkten ist sicherlich gegeben, doch ist diese
Ähnlichkeit in keinem Fall so stark, dass eine direkte Beeinflussung zwingend
erscheint. Es darf auch nicht unterschätzt werden, dass die Justizverweigerung
in der Mitte des 8. Jahrhunderts in beiden Reichen ein weit verbreitetes Phäno-
men gewesen zu sein scheint und dass die Bekämpfung dieses Missstands un-
abhängig voneinander ähnliche Maßnahmen hervorgebracht haben kann.
Neben diesen Ähnlichkeiten sind jedoch auch große Unterschiede zu kon-
statieren. Für die aus der Lex Salica übernommene Regelung und die Bestim-
mung zu den ecclesiastici am Ende des Kapitels im Königskapitular lassen sich
keine Parallelen bei Ratchis finden.
5.3.3 Zwischenfazit
Auch bei der Interpretation beider Quellenpassagen als Justizverweigerung ist
eine direkte Abhängigkeit des Königskapitulars von Ratchis' Gesetz trotz ge-
wisser Ähnlichkeiten nicht nachweisbar. Das ablehnende Urteil Brunners und
von Schwerins gegenüber der These Seelmanns kann also bestätigt werden.173
Dieser Befund ist für die Interpretation dieses Kapitels nicht zu vernachläs-
sigen, da eine direkte Vorlage des langobardischen Gesetzes die im Königska-
pitular zu Tage tretende Lex Salica-Rezeption in den Hintergrund treten lassen
würde. Der Lex Salica-Rezeption kommt aber — natürlich neben der Bekämpfung
der Missstände selbst — eine zentrale Bedeutung in diesem Kapitel zu.
5.4 Nachwirkung auf dem Konzil von Ver 755
Im Sommer 755 griff das Konzil von Ver beide Beschlüsse des Königskapitulars
zur Rechtspflege wieder auf. Am deutlichsten ist die Rezeption bei Kapitel 6 zu
den Immunitäten. Kanon 19 von Ver schärft erneut ein, dass die Immunitäten
beachtet werden sollen.174 Die Konzentration auf Immunitäten kirchlicher In-
stitutionen zeigt sich hier noch deutlicher als im Königskapitular, in dem diese
173 Vgl. Brunner — von Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 189 Anm. 39.
174 Concilium Vernense c. 19, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z.33: De emunitates. Utomnes emunitates
per universas ecclesias conservata sint.
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des Königs gestellt, während in der langobardischen Regelung eine Geldbuße an
den Richter festgelegt wird und die Prügelstrafe nur dann zum Einsatz kommen
soll, wenn der Betroffene die Geldbuße nicht aufbringen kann. Natürlich ist in
beiden Texten von der Prügelstrafe die Rede, doch hat die Androhung der
Prügelstrafe im Königskapitular, wie gezeigt wurde, einen anderen Charakter
als die bei Ratchis genannte Möglichkeit, eine Geldbuße in eine Prügelstrafe
umzuwandeln.
Eine Ähnlichkeit in diesen Punkten ist sicherlich gegeben, doch ist diese
Ähnlichkeit in keinem Fall so stark, dass eine direkte Beeinflussung zwingend
erscheint. Es darf auch nicht unterschätzt werden, dass die Justizverweigerung
in der Mitte des 8. Jahrhunderts in beiden Reichen ein weit verbreitetes Phäno-
men gewesen zu sein scheint und dass die Bekämpfung dieses Missstands un-
abhängig voneinander ähnliche Maßnahmen hervorgebracht haben kann.
Neben diesen Ähnlichkeiten sind jedoch auch große Unterschiede zu kon-
statieren. Für die aus der Lex Salica übernommene Regelung und die Bestim-
mung zu den ecclesiastici am Ende des Kapitels im Königskapitular lassen sich
keine Parallelen bei Ratchis finden.
5.3.3 Zwischenfazit
Auch bei der Interpretation beider Quellenpassagen als Justizverweigerung ist
eine direkte Abhängigkeit des Königskapitulars von Ratchis' Gesetz trotz ge-
wisser Ähnlichkeiten nicht nachweisbar. Das ablehnende Urteil Brunners und
von Schwerins gegenüber der These Seelmanns kann also bestätigt werden.173
Dieser Befund ist für die Interpretation dieses Kapitels nicht zu vernachläs-
sigen, da eine direkte Vorlage des langobardischen Gesetzes die im Königska-
pitular zu Tage tretende Lex Salica-Rezeption in den Hintergrund treten lassen
würde. Der Lex Salica-Rezeption kommt aber — natürlich neben der Bekämpfung
der Missstände selbst — eine zentrale Bedeutung in diesem Kapitel zu.
5.4 Nachwirkung auf dem Konzil von Ver 755
Im Sommer 755 griff das Konzil von Ver beide Beschlüsse des Königskapitulars
zur Rechtspflege wieder auf. Am deutlichsten ist die Rezeption bei Kapitel 6 zu
den Immunitäten. Kanon 19 von Ver schärft erneut ein, dass die Immunitäten
beachtet werden sollen.174 Die Konzentration auf Immunitäten kirchlicher In-
stitutionen zeigt sich hier noch deutlicher als im Königskapitular, in dem diese
173 Vgl. Brunner — von Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 189 Anm. 39.
174 Concilium Vernense c. 19, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z.33: De emunitates. Utomnes emunitates
per universas ecclesias conservata sint.