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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0193
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5. Rechtspflege

Beschränkung lediglich aus den ecclesiastici in Kapitel 7 erschlossen werden
kann.
Auch wenn der rechtliche Inhalt gleich ist, wirkt die Formulierung mit
doppelt so vielen Wörtern (die Rubrik nicht mitgerechnet) noch verbindlicher
und nachdrücklicher als im Königskapitular. Die doppelte Betonung, dass es
keine Ausnahme von der Beachtung der Immunität geben darf (omnes emunitates
und per universas ecclesias) deutet nicht nur die Wichtigkeit dieses Themas für die
Bischöfe an, sondern darf auch als Indiz für nicht geringe Missstände in diesem
Bereich gedeutet werden.
Die Rezeption von Kapitel 7 des Königskapitulars in Ver beschränkt sich auf
den Teil, der nicht das Grafengericht betrifft. Dieser Befund verwundert auf den
ersten Blick bei einem Konzil nicht, doch könnte hier der Grund liegen, warum
diese Rezeption bisher nicht von der Forschung zur Kenntnis genommen wurde.
Kanon 18 regelt, dass Kleriker nicht vor weltliche Gerichte ziehen dürfen, außer
mit der Erlaubnis ihres Bischofs oder Abts.175 Dass hier eine direkte Rezeption
des Königskapitulars vorliegt, zeigt sich in mehreren Punkten. Zum einen ist das
Königsgericht natürlich ein Gericht von Laien. Zum anderen findet sich die
Möglichkeit einer Beauftragung durch Bischof oder Abt (nisi per iussionem epis-
copi sui vel abbatis) auch im Königskapitular (nisi senior suus pro sua causa trans-
miserit). Am deutlichsten wird der Bezug zum Königskapitular jedoch im letzten
Satz von Kanon 18, der festhält, dass Kleriker bei solchen Rechtsstreitigkeiten
insbesondere nicht zur Beunruhigung des Herrn König handeln dürfen (Et ma-
xime, ne in talibus causis inquietudine domno rege faciant).
Insgesamt ist Kanon 18 von Ver im Hinblick auf die Kleriker durchaus
strenger als Kapitel 7 des Königskapitulars, weil den Klerikern nicht nur das
direkte Anrufen des Königsgerichts, sondern das Anrufen weltlicher Gerichte
generell untersagt wird. Dieses allgemeine Verbot wird zusätzlich durch ein
Zitat aus dem antiken Kirchenrecht untermauert. Die Rezeption von Kapitel 7
hinterlässt denselben Eindruck wie die von Kapitel 6. Auch hier zeigt sich eine
Verschärfung der Regelung oder zumindest des Anspruchs der Konzilsteilneh-
mer gegenüber den Beschlüssen des Königskapitulars.

175 Concilium Vemense c. 18, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z. 24-32: Ut nullus clericus ad iudicia
laicorum publica non conveniat nisi per iussionem episcopi sui vel abbatis, iuxta canones Cartaginensis,
capitulo IX. ut ibi scriptum est: „Qui relicto ecclesiastico iudicio publicis iudiciis se purgare voluerit,
etiamsi pro illo fuerit prolata sententia, locum suum amittat. Hoc in criminale iudicio. In civili vero perdat
quod evicit, si locum suum obtenere voluerit. Cui enim ad elegendos iudices undique ecclesiae patet
auctoritas, ipse se indignum fraterno consortio iudicat qui, de universa ecclesia male sentendio, seculare de
iudicio poscit auxilium, cum privatorum christianorum causas apostolus ad ecclesiam deferri atque ibidem
terminare praecipiat." Et maxime, ne in talibus causis inquietudine domno rege faciant.
 
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