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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0096
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3.3 Zölle auf dem Konzil von Ver

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Pippins und seiner Nachfolger zu den Zöllen hervor.201 Unter den Kapitularien
Pippins findet sich ein weiteres Kapitel, das sich mit Zöllen beschäftigt, nämlich
das 22. Kapitel des Konzils von Ver vom 11. Juli 755:
De peregrinis qui propter Deum vadunt, ut eis tolloneos non tollant; et de illos
alios tolloneos quod vos antea perdonastis, ut sic fiat, ut, ubi legitime non
debent esse, donati non sint.202
Die Worte quod vos antea perdonastis werden von der Forschung als Rückverweis
auf das vierte Kapitel des Königskapitulars gedeutet.203 Da in beiden Beschlüssen
ausdrücklich von Pilgern die Rede ist und keine weiteren Kapitel Pippins zum
Thema Zölle überliefert sind, liegt dieser Schluss nahe. Auffällig ist, dass zwar
vom Königskapitular das Verbot, von Pilgern Zoll zu erheben, und höchst-
wahrscheinlich auch die Zollfreiheit von Lebensmitteltransporten, Karrenfuhren
und Saumtieren ohne Handelsabsicht wiederholt wird,204 aber keine Spur von
einer Sanktionsandrohung zu finden ist.
Mit der Strafandrohung fehlt ein gutes Jahr später in Ver also das wirklich
Neue des Zollkapitels des Königskapitulars. Dies wirft die Frage auf, ob es sich
bei diesem Fehlen um ein unbewusstes Vergessen oder ein bewusstes Weglassen
handelt. Das Kapitel aus Ver ist generell von der Tendenz zur Kürze gezeichnet,
ja aus sich heraus nicht einmal mehr verständlich und wird gegen Ende hin
sprachlich heikel.205 Dies könnte natürlich für ein unbewusstes Weglassen der
Strafandrohung sprechen. Auf der anderen Seite zeigt der Rückbezug auf das
Königskapitular, dass die Versammlungsteilnehmer in Ver dieses Schriftstück
sehr präsent vor Augen hatten, als sie über die Zölle berieten. Dies deutet stark
daraufhin, dass die Strafandrohung in Ver bewusst ausgelassen wurde.206 Diese
Interpretation wird dadurch gestärkt, dass in späteren Kapitularien zwar ver-
einzelt Missstände auf dem Gebiet der Zölle angesprochen werden und das

201 Vgl. Mischke, Kapitularienrecht, S. 100-116.

202 Concilium Vernense c. 22, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 37 Z. 3-5. Zur Synode vgl. Hartmann,
Synoden, S. 68-72.

203 Zu den mit diesen Worten eng verbundenen Datierungsfragen vgl. oben Kap. 1.3.4.

204 Auf letzteres beziehen sich die Worte de illos alios tolloneos, quod vos antea perdonastis.

205 Die Worte de illos alios tolloneos, quod vos antea perdonastis sind ohne Kenntnis des Königskapi-
tulars nicht verständlich. Die Zeitenfolge des Satzendes ist sinnlos, da der Nebensatz ut non
donati non sint strenggenommen vorzeitig zu ut sic fiat ist. Wörtlich heißt es also: „dass sie [die
Zölle], wo sie gemäß des Rechts nicht sein dürfen, nicht gegeben wurden." Eher unwahr-
scheinlich ist, dass dieser kryptische Satz eine Rückerstattung meinen soll.

206 Man könnte einwänden, dass weltliche Strafen in einem Konzilsbeschluss fehl am Platze wären.
Die einzelnen Kanones von Ver drohen zwar vor allem kirchliche Strafen an. Doch wird in einem
Fall auch die Bestrafung durch das Urteil des Königs angedroht, wenn die kirchliche Strafe der
Exkommunikation nicht fruchtet. Concilium Vernense c. 9, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 35 Z.17f.:
Quod si aliquis ista omnia contempserit, et episcopus hoc minime emendare potuerit, regis iudicio exilio
condamnetur. Andererseits hätte die verbotene Ausbeutung von Pilgern grundsätzlich auch mit
kirchlichen Strafen sanktioniert werden können, zumal Verstöße gegen Kapitel 4 des Königs-
kapitulars oder Kapitel 22 von Ver nicht nur von weltlichen Personen, sondern ebenso von
kirchlichen Personen oder Institutionen begangen werden können.
 
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