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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 1.1921

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Heft 6
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Pariser Brief
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Der Venuswagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.62259#0266
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Ob das die Erklärung ist, vermag ich natürlich nicht zu sagen;
immerhin, dass die Geschichte glaubhaft sein könnte, zeigt sich in
Paris auf Schritt und Tritt, manchmal kommt es einem vor, als sei
der Verfasser jenes Buches weniger in Paris als in — Tarascon
gewesen. Mit jen ^esten Grüssen
Ihr ergebener
Paul Westheim
Steglitz, 6. 11. 21.
DER VENUSWAGEN
Wolfgang Gurlitt wurde zu 1000 Mark
Geldstrafe verurteilt, weil er den „Venuswagen“
mit Lovis Corinths Illustrationen und andere
Kunstbücher veröffentlicht hat.
1. DER KAMPF GEGEN DIE KUNST
Der von neuem entbrannte Kampf gegen „Schmutz in Wort und
Bild“, der durch besondere Abteilungen der Polizei und Staatsanwalt-
schaft organisiert ist, hat in letzter Zeit namhafte Künstler vor die
Schranken des Gerichts geführt. Männer wie Corinth, Zille, Scheurich,
Geiger, Jaeckel, Klemm sehen sich dem kränkenden Vorwurf aus-
gesetzt, dass ihre Werke unzüchtig, also nach der Rechtsprechung
des Reichsgerichts „geeignet sind, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl
des normalen Menschen in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen“.
Die Frage ist, worin die Kriterien des „Unzüchtigen“ bei einem Kunst-
werk bestehen. Kohler stellt in seiner Schrift „Das Sinnliche und das
Unsittliche in der Kunst“ in den Vordergrund seiner Erörterungen
die fundamentalen Sätze:
„Von allen menschlichen Gefühlen ist keines bedeutsamer als
das Gefühl der Liebe, und zwar der Geschlechtsliebe, denn sie
verbindet uns mit der Gattung und durch die Gattung wieder
mit der Allschöptung, deshalb ist die Schilderung der Liebe von
jeher das reichste und fruchtbarste Gebiet der Kunst gewesen.
Dem Künstler muss es zustehen, den Schleier zu heben, mit
welchem uns der nüchterne, aber unvermeidliche Konventiona-
lismus deckt. Für die Kunst gibt es keine Hüllen und Gürtel,
für sie gibt es kein schüchternes Erröten. Mit kräftiger Hand
zeichnet sie den Menschen und durch den Menschen die in ihm
sich betätigende Lebenskraft der unendlichen Natur.“

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