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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 8.1928

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Heft 6
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Kleiber, Ruth: Kleiber auf Reisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.71260#0559

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KLEIBER AUF REISEN
Von
RUTH KLEIBER
Als Kleiber und ich einmal, bevor wir verheiratet waren, in einem tro-
pischen Garten in Buenos Aires spazierengingen, sagte er zu mir, ich
könnte ihn vielleicht später einmal nach Rußland begleiten. Was für Bilder
sah ich da vor Augen! Rußland — die große, grüne Fläche auf der Landkarte
in der Schule! Hochgewachsene, schwarzbärtige Männer, Tänzer mit roten
Schaftstiefeln, Schlittenglocken und slawische Musik! 0 ja, ich wollte
schrecklich gern nach Rußland!
Drei Monate später waren wir unterwegs. Im Zug Berlin—Riga lernten
wir „Wie lerne ich fließend Russisch in zwei Wochen". Wir lernten sehr
schnell „danke", „bitte", „Bier" und andere nützliche Worte.
In Riga versuchten wir vergeblich, Zimmer mit Bad zu bekommen. Die
gibts dort nicht. Die Sonne schien, die Erde lag voll Schnee — so mieteten
wir, da unsere Hoffnung auf ein Bad getäuscht war, einen Schlitten (eine
lettische Taxe), fuhren herum und sahen uns alles an.
Abends nahmen wir den Zug nach Leningrad (das St. Petersburg meiner
Schulbücher). Wir waren schrecklich neugierig auf unseren Schlafwagen,
denn wir hatten uns bei der Wahl zwischen „Weich" und „Hart" für die
„Weiche" Klasse entschlossen. Es waren Doppelfenster im Wagen, so daß
wir weder frische Luft noch Ventilation hatten. Es gab keinen Speisewagen,
aber der Schaffner, der es seinen einzigen Passagieren ein bißchen behaglich

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