durch den Park fahren, um die simplen Fußgänger mit ihrer Üppigkeit zu be-
eindrucken.
Eine weitere Sonntags-Beschäftigung der Londoner Bevölkerung besteht
darin, den Straßenrednern im Hyde-Park zuzuhören, die meist unter aller Kritik
sind. Aber einen Stewart gibt es unter ihnen, einen Sozialisten, welcher der Witz
in Person ist und stets eine begeisterte Menge um sich hat. In Wirklichkeit ist
der Hyde-Park gar nicht so wundervoll. Er ist nicht so schön wie der Park von
St. Thames und nicht so gut zum Flirten geeignet wie etwa der Prater!
,,Pub-crawling" ist ein anderer beliebter Sonntagssport in England, bei jedem
Wetter. Um 12 Uhr vormittags geht man in die Kneipe, bis sie, etwa um 2 Uhr 30,
geschlossen wird. Dann geht man bis 5 Uhr in einen Klub, wo Getränke serviert
werden. Dann über die Straße wieder in eine Kneipe, die gerade geöffnet worden
ist usw. bis Mitternacht, wobei man mittlerweile eine Menge Likör konsumiert
hat. Die sogenannten „Bright Young People" haben eine bessere Trink-Methode
erfunden. Sie halten „Bottle-parties" ab und laden Gäste dazu ein, von denen
jeder eine Flasche mitbringen muß; diese enthält Whisky (davon lustig zu werden,
ist äußerst schwer), Gin (ein weitaus besseres Naß), Vermouth, Zitronenlimonade,
Bier usw. und manchmal, aus Ulk, Badesalze oder Haaröl.
Nur wenige gute Restaurants sind am Sonntagnachmittag geöffnet, aber zur
Javerna Medicea in der Frith Street kann man gehen, zu Previtalli in der Greek
Street, zu Romano in der Baker Street oder zu Taglioni in der Gerrard Street,
alles angenehme Lokale, wo die unenglische Sitte, außerhalb des Hauses zu speisen,
nicht übel vermerkt wird. Im Carlton gibt es gutes Essen und eine ausgezeichnete
Kapelle.
Der Fremde mit Intelligenz und ohne Freunde wird — ich muß es zugeben —
am Londoner Sonntag die Fröhlichkeit Wiens oder Berlins vermissen. Tanz ist
an diesem Tag verboten, und nur ein Abendkonzert findet statt — im Palladium.
Das ist von ziemlich gemischter Qualität; denn der Engländer will seine richtige
Musik haben, in kleinen Dosen und mit Humoristischem und Schlager-Musik
durchsetzt. Wenn nun unser Fremder mit einem Mitglied der Sonntags-Theater-
Vereinigungen bekannt ist, z. B. dem Arts Theatre Club oder der Stage Society,
so bekommt er unter Umständen ein gutes Stück zu sehen. Aber gewöhnliche
Theater dürfen — einem veralteten Elisabethanischen Gesetz zufolge — am
Sonntag, wo sie bestimmt gute Geschäfte machen würden, nicht spielen. Aus
diesem Grunde haben die Privat-Vereinigungen das Privileg, Stücke zu geben,
die wegen ihrer Unmoral vom Spielplan des Wochentagstheaters verbannt
wurden. Die Kinos dagegen öffnen alle Sonntage um sechs Uhr und machen ein
rasendes Geschäft. Überdies stehen dem Vergnügungssüchtigen seit März ein
halbes Dutzend Tonfilme zur Wahl offen. Wenn er aber etwas Geschmack hat,
wird er auf diese gräßlichen Travestien verzichten, die der „Punch" so treffend
„Growlies" getauft hat. London genoß den zweifelhaften Vorzug vor dem
übrigen Europa, als erste Stadt die amerikanischen Schauspieler mit ihren Kehl-
kopfentzündungen, Drüsen und gespaltenen Gaumen zu hören. Der einzig echte
Ton im Tonfilm ist das Zischen, wenn Soda mit Whisky gemischt wird, und man
bekommt das natürlich immerzu zu hören. Die Handlung selbst ist anscheinend
noch kindischer als in gewöhnlichen Filmen, und das sagt doch genug.
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eindrucken.
Eine weitere Sonntags-Beschäftigung der Londoner Bevölkerung besteht
darin, den Straßenrednern im Hyde-Park zuzuhören, die meist unter aller Kritik
sind. Aber einen Stewart gibt es unter ihnen, einen Sozialisten, welcher der Witz
in Person ist und stets eine begeisterte Menge um sich hat. In Wirklichkeit ist
der Hyde-Park gar nicht so wundervoll. Er ist nicht so schön wie der Park von
St. Thames und nicht so gut zum Flirten geeignet wie etwa der Prater!
,,Pub-crawling" ist ein anderer beliebter Sonntagssport in England, bei jedem
Wetter. Um 12 Uhr vormittags geht man in die Kneipe, bis sie, etwa um 2 Uhr 30,
geschlossen wird. Dann geht man bis 5 Uhr in einen Klub, wo Getränke serviert
werden. Dann über die Straße wieder in eine Kneipe, die gerade geöffnet worden
ist usw. bis Mitternacht, wobei man mittlerweile eine Menge Likör konsumiert
hat. Die sogenannten „Bright Young People" haben eine bessere Trink-Methode
erfunden. Sie halten „Bottle-parties" ab und laden Gäste dazu ein, von denen
jeder eine Flasche mitbringen muß; diese enthält Whisky (davon lustig zu werden,
ist äußerst schwer), Gin (ein weitaus besseres Naß), Vermouth, Zitronenlimonade,
Bier usw. und manchmal, aus Ulk, Badesalze oder Haaröl.
Nur wenige gute Restaurants sind am Sonntagnachmittag geöffnet, aber zur
Javerna Medicea in der Frith Street kann man gehen, zu Previtalli in der Greek
Street, zu Romano in der Baker Street oder zu Taglioni in der Gerrard Street,
alles angenehme Lokale, wo die unenglische Sitte, außerhalb des Hauses zu speisen,
nicht übel vermerkt wird. Im Carlton gibt es gutes Essen und eine ausgezeichnete
Kapelle.
Der Fremde mit Intelligenz und ohne Freunde wird — ich muß es zugeben —
am Londoner Sonntag die Fröhlichkeit Wiens oder Berlins vermissen. Tanz ist
an diesem Tag verboten, und nur ein Abendkonzert findet statt — im Palladium.
Das ist von ziemlich gemischter Qualität; denn der Engländer will seine richtige
Musik haben, in kleinen Dosen und mit Humoristischem und Schlager-Musik
durchsetzt. Wenn nun unser Fremder mit einem Mitglied der Sonntags-Theater-
Vereinigungen bekannt ist, z. B. dem Arts Theatre Club oder der Stage Society,
so bekommt er unter Umständen ein gutes Stück zu sehen. Aber gewöhnliche
Theater dürfen — einem veralteten Elisabethanischen Gesetz zufolge — am
Sonntag, wo sie bestimmt gute Geschäfte machen würden, nicht spielen. Aus
diesem Grunde haben die Privat-Vereinigungen das Privileg, Stücke zu geben,
die wegen ihrer Unmoral vom Spielplan des Wochentagstheaters verbannt
wurden. Die Kinos dagegen öffnen alle Sonntage um sechs Uhr und machen ein
rasendes Geschäft. Überdies stehen dem Vergnügungssüchtigen seit März ein
halbes Dutzend Tonfilme zur Wahl offen. Wenn er aber etwas Geschmack hat,
wird er auf diese gräßlichen Travestien verzichten, die der „Punch" so treffend
„Growlies" getauft hat. London genoß den zweifelhaften Vorzug vor dem
übrigen Europa, als erste Stadt die amerikanischen Schauspieler mit ihren Kehl-
kopfentzündungen, Drüsen und gespaltenen Gaumen zu hören. Der einzig echte
Ton im Tonfilm ist das Zischen, wenn Soda mit Whisky gemischt wird, und man
bekommt das natürlich immerzu zu hören. Die Handlung selbst ist anscheinend
noch kindischer als in gewöhnlichen Filmen, und das sagt doch genug.
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