Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 10.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0281
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Heft 3
DOI article:Hessenstein, Alfred A.: Türkisch-levantische Salons
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Pascin
die Konzessionierung der Prostitution auf das Europäerviertel von Pera zu be-
schränken. Bis zur Zeit des Kemalismus durften nur Christinnen und Jüdinnen
sich öffentlich preisgeben, während es der Mohammedanerin bei Gefängnisstrafe
verboten war. Seit der großen Umwälzung ist auch diese Schranke gefallen,
und heute wimmelt es in Stambul von türkischen Dirnen. Pera ist nicht mehr oder
weniger lasterhaft als jede andere europäische Großstadt. Die elegante Männer-
welt Peras, deren größter Schrecken das Gespenst des Klatsches und der üblen
Nachrede ist, geht mit ostentativer Verachtung an jenen Orten vorüber, wo das
Laster öffentlich auftritt. Zum Schauplatz ihrer Abenteuer wählen sie teure Nacht-
klubs und Salons, sogenannte „Maisons de rendezvous", die Uneingeweihten
überhaupt nicht zugänglich sind. Es ereignet sich zuweilen, daß Damen der guten
Gesellschaft, durch Geldnot oder Sinnlichkeit getrieben, sich hierher verirren,
und es ist sogar vorgekommen, daß der Gatte überrascht der eigenen Frau ent-
gegentrat, als er da Unterhaltung suchte.
Der fremde Besucher Istanbuls, der weder Zeit noch Gelegenheit hat, mit den
einheimischen Elementen in enge Fühlung zu treten, wird sich leicht durch das
moderne Bild, das die Stadt heute bietet, durch Jazz, Kinos, Tennis und Golf vor-
täuschen lassen, Konstantinopel oder Angora seien modern wie Paris; in Wahrheit
beschränkt sich solch europäisches Gepräge nur auf ein oder zwei Stadtviertel,
während die übrige Stadt und das gesamte anatolische Hinterland noch die Sitten
und Bräuche des Orients bewahrt haben.
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