In diesem Sinne ist die westliche Welt jetzt sicher im Fortschreiten begriffen,
etwa in den praktischen oder angewendeten Wissenschaften, besonders, wenn es
sich um den Verkehr handelt. Solange es höchst faszinierend erscheint, daß die
Stimme des Lord Tallboy vom Nordpol her erschalle, wird der Westen wirkliche
Wunder verrichten, damit der Pol erreicht und eine Verbindung hergestellt werde.
Wird man sich dann plötzlich darüber klar, daß die Stimme Lord Tallboys ebenso
langweilig ist, wenn sie vom Nordpol als wenn sie aus dem Nebenzimmer tönt,
wird der Westen seine wundervollen Energien auf ein anderes Objekt hinwenden.
Aber durch diese Konzentration von Energie werden zu gewissen Zeiten doch
gewisse wirkliche Reformen erzielt. So ist es beispielsweise wahrscheinlich, daß der
philanthropische Kapitalismus Fords auf die Dauer über das bloße Schwitzen
und Schwindeln des Mietlings obsiegen wird; freilich kann auch da nicht vorher-
gesagt werden, welche Veränderungen bei einem unerwarteten Mißstand oder
einem Wechsel der Bedürfnisse eintreten mögen. Im ganzen werden wir innerhalb
einer gewissen Periode einen gewissen Fortschritt feststellen können, wenn wir
etwa fragen, wie viele Arbeiter Beschäftigung haben und wie viele von ihnen eine
anständige Bezahlung erhalten. Wenn wir die Fragestellung aber ändern und uns
erkundigen, wie viele unabhängige Männer es noch gibt, die keine Anstellung be-
nötigen und die eine Bezahlung als Schmach empfinden würden, werden wir keinen
Fortschritt, vielmehr einen enormen Rückschritt konstatieren müssen. Das Gefühl
für Ehre, das in dem wirklichen kleinen Besitzer lebt, ist selbst in dem vorbild-
lichsten modernen Unternehmen nicht zu finden. Kurzum, alles hängt davon ab,
was der Maßstab sein soll; dennoch bleibt es wahr, daß, wenn der Westen einmal
einen Maßstab festgelegt hat, er eine wunderbare Aktivität und Tüchtigkeit ent-
wickelt, um an ihm zu wachsen. Dieses Charakteristikum aber datiert bereits aus
der Zeit zwischen Alexander und Aristoteles, und es ist viel älter und tiefer als die
kleine Modetorheit, die sich Fortschritt nennt.
Und nun sehe ich mit einem betrübten Lächeln voraus, daß als paradox be-
zeichnet werden wird, was ich jetzt sagen will. Ich sage nämlich dies: Wohl bin ich
mir dessen bewußt, daß vieles von dem, was lächerlicherweise Fortschritt genannt
wird, in Wirklichkeit nur Wechsel ist; aber ich billige den Wechsel, auch wenn er
nicht Fortschritt ist. Ein Doktor in Chelsea empfiehlt seinem Patienten, nach
Margate zu gehen, „für einen kleinen Wechsel". Er meint damit nicht, daß Margate
die ideale Stadt sei oder nur besser und schöner als andere Orte; das könnte nicht
einmal der wildeste Doktor glauben. Er sieht in der Reise nach Margate keinen
Fortschritt, vielmehr ein Abenteuer, möglicherweise das der Piraterie auf hoher
See ähnlichste Abenteuer, das dem Patienten zugänglich ist. Diese Art von Wechsel
bedeutet etwas ganz anderes als die Idee, man müsse in alle Ewigkeit auf einer
Straße zu immer besseren und besseren Orten „fortschreiten", ohne je an eine
Rückkehr denken zu dürfen. Das antike Heidentum hat dies verstanden, als es die
Saturnalien einführte, und der mittelalterliche Katholizismus hat es verstanden,
als er durch den Mund seines großen Theologen Thomas von Aquin verkündete,
der Mensch müsse Unterhaltung und Amüsement haben, da weder geistige Kon-
templation noch die nützliche Tätigkeit unausgesetzt geübt werden könne. Und
die lange Geschichte der Späße, der Abenteuer, die immer wieder aus dem Rahmen
der Gesellschaft hervorgebrochen sind, erscheint mir als wirkliches Charakteristi-
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etwa in den praktischen oder angewendeten Wissenschaften, besonders, wenn es
sich um den Verkehr handelt. Solange es höchst faszinierend erscheint, daß die
Stimme des Lord Tallboy vom Nordpol her erschalle, wird der Westen wirkliche
Wunder verrichten, damit der Pol erreicht und eine Verbindung hergestellt werde.
Wird man sich dann plötzlich darüber klar, daß die Stimme Lord Tallboys ebenso
langweilig ist, wenn sie vom Nordpol als wenn sie aus dem Nebenzimmer tönt,
wird der Westen seine wundervollen Energien auf ein anderes Objekt hinwenden.
Aber durch diese Konzentration von Energie werden zu gewissen Zeiten doch
gewisse wirkliche Reformen erzielt. So ist es beispielsweise wahrscheinlich, daß der
philanthropische Kapitalismus Fords auf die Dauer über das bloße Schwitzen
und Schwindeln des Mietlings obsiegen wird; freilich kann auch da nicht vorher-
gesagt werden, welche Veränderungen bei einem unerwarteten Mißstand oder
einem Wechsel der Bedürfnisse eintreten mögen. Im ganzen werden wir innerhalb
einer gewissen Periode einen gewissen Fortschritt feststellen können, wenn wir
etwa fragen, wie viele Arbeiter Beschäftigung haben und wie viele von ihnen eine
anständige Bezahlung erhalten. Wenn wir die Fragestellung aber ändern und uns
erkundigen, wie viele unabhängige Männer es noch gibt, die keine Anstellung be-
nötigen und die eine Bezahlung als Schmach empfinden würden, werden wir keinen
Fortschritt, vielmehr einen enormen Rückschritt konstatieren müssen. Das Gefühl
für Ehre, das in dem wirklichen kleinen Besitzer lebt, ist selbst in dem vorbild-
lichsten modernen Unternehmen nicht zu finden. Kurzum, alles hängt davon ab,
was der Maßstab sein soll; dennoch bleibt es wahr, daß, wenn der Westen einmal
einen Maßstab festgelegt hat, er eine wunderbare Aktivität und Tüchtigkeit ent-
wickelt, um an ihm zu wachsen. Dieses Charakteristikum aber datiert bereits aus
der Zeit zwischen Alexander und Aristoteles, und es ist viel älter und tiefer als die
kleine Modetorheit, die sich Fortschritt nennt.
Und nun sehe ich mit einem betrübten Lächeln voraus, daß als paradox be-
zeichnet werden wird, was ich jetzt sagen will. Ich sage nämlich dies: Wohl bin ich
mir dessen bewußt, daß vieles von dem, was lächerlicherweise Fortschritt genannt
wird, in Wirklichkeit nur Wechsel ist; aber ich billige den Wechsel, auch wenn er
nicht Fortschritt ist. Ein Doktor in Chelsea empfiehlt seinem Patienten, nach
Margate zu gehen, „für einen kleinen Wechsel". Er meint damit nicht, daß Margate
die ideale Stadt sei oder nur besser und schöner als andere Orte; das könnte nicht
einmal der wildeste Doktor glauben. Er sieht in der Reise nach Margate keinen
Fortschritt, vielmehr ein Abenteuer, möglicherweise das der Piraterie auf hoher
See ähnlichste Abenteuer, das dem Patienten zugänglich ist. Diese Art von Wechsel
bedeutet etwas ganz anderes als die Idee, man müsse in alle Ewigkeit auf einer
Straße zu immer besseren und besseren Orten „fortschreiten", ohne je an eine
Rückkehr denken zu dürfen. Das antike Heidentum hat dies verstanden, als es die
Saturnalien einführte, und der mittelalterliche Katholizismus hat es verstanden,
als er durch den Mund seines großen Theologen Thomas von Aquin verkündete,
der Mensch müsse Unterhaltung und Amüsement haben, da weder geistige Kon-
templation noch die nützliche Tätigkeit unausgesetzt geübt werden könne. Und
die lange Geschichte der Späße, der Abenteuer, die immer wieder aus dem Rahmen
der Gesellschaft hervorgebrochen sind, erscheint mir als wirkliches Charakteristi-
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