Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 10.1930
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DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:Fahsel, Kaplan: Körper und Christentum
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KÖRPER UND CHRISTENTUM
Von
KAPLAN FAHSEL
Schon in den ersten Jahren meiner Hinwendung zum positiven Christentum
bekam ich es oft zu hören — ■ und auch von besten Freunden — daß ich nun
wohl konsequenterweise aus meiner bisherigen Lebensführung eine bestimmte
Pflege des Körperlichen entfernen müßte. Denn man muß wissen: ich war damals
ein begeisterter Anhänger der modernen Körperkultur. Ich habe mich denn auch
in jenen Tagen sehr genau umgeschaut in der klassischen Literatur christlicher
Weltanschauung und Aszese. Da habe ich allerdings — besonders in Biographien
von Heiligen und Einsiedlern und in Kulturgeschichten des Mittelalters — man-
ches gefunden, was zu dem Urteil verführen kann, das Christentum stehe dem
Körper und damit der Körperkultur ablehnend, ja feindlich gegenüber. Je mehr
ich aber gewisse Aussprüche und Erscheinungen mit ihren eigentlichen Gründen
und Zusammenhängen in Verbindung brachte, hat sich mir die klare Überzeugung
aufgedrängt, daß ich meine Körperkultur durchaus nicht aufzugeben brauche, um
ein wahrer Christ zu sein.
Ich will hier versuchen, meine inneren Auseinandersetzungen mit dieser
Materie kurz und klar wiederzugeben.
Der menschliche Körper läßt sich in seiner Bedeutung nach drei ganz ver-
schiedenen Auffassungen betrachten. Und so geschieht es seit jeher bis heute in
drei verschiedenen Weltanschauungen.
Der Materialismus kennt nur Materie, und deshalb ist ihm der menschliche
Körper seiner Qualität nach der großartigste Ausdruck und Gipfelpunkt des
Kosmos. Seine Kultur ist die höchste Kultur, seine Lust die höchste Seligkeit,
seine Kraft und Schönheit Inbegriff aller Macht und Schönheit überhaupt. In
diesem Sinne erhält bei der heutigen Ausbreitung der materialistischen Welt-
anschauung die moderne Körperkultur einen Charakter, der von vielen, und dazu
zählen auch m. E. die wahren Christen, als unsinnig und verderblich abgelehnt
wird. Markante Erscheinungen solcher Körperkultur sind heutzutage folgende:
Der schnellste Läufer und der am härtesten schlagende Faustkämpfer werden mehr
gefeiert als das geistige Genie, der heldenhafte moralische Charakter. Dem nackten
Körper und seiner Darstellung unter verschiedenen Geschlechtern wird in der
Wirklichkeit und Abbildung eine unerhörte, bisher nie dagewesene Geltend-
machung eingeräumt. Die Grundlagen für solche Übertreibungen müssen im
Lichte des wahren Christentums abgelehnt werden, weil sie nicht nur der Ein-
wirkung einer übernatürlichen Kraft hindernd im Wege stehen, sondern auch der
natürlichen Persönlichkeit des ganzen Menschen eine Gefahr sind.
Der Spiritualismus hält den menschlichen Körper entweder für etwas ganz Un-
bedeutendes oder sogar für ein Übel als Hindernis geistiger Höherentwicklung
und steht deshalb der Körperkultur grundsätzlichablehnend gegenüber. Besonders
sind es zwei Hauptformen des Spiritualismus, die sich in der Weltgeschichte ein-
schneidend und über weite Kreise der Menschen hin ausgewirkt haben. Die brah-
manistisch-buddhistische Weltanschauunglndiens geht in ihrer Spekulation von der
Grundüberzeugung aus, die ganze Welt der Erscheinung — also auch der mensch-
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Von
KAPLAN FAHSEL
Schon in den ersten Jahren meiner Hinwendung zum positiven Christentum
bekam ich es oft zu hören — ■ und auch von besten Freunden — daß ich nun
wohl konsequenterweise aus meiner bisherigen Lebensführung eine bestimmte
Pflege des Körperlichen entfernen müßte. Denn man muß wissen: ich war damals
ein begeisterter Anhänger der modernen Körperkultur. Ich habe mich denn auch
in jenen Tagen sehr genau umgeschaut in der klassischen Literatur christlicher
Weltanschauung und Aszese. Da habe ich allerdings — besonders in Biographien
von Heiligen und Einsiedlern und in Kulturgeschichten des Mittelalters — man-
ches gefunden, was zu dem Urteil verführen kann, das Christentum stehe dem
Körper und damit der Körperkultur ablehnend, ja feindlich gegenüber. Je mehr
ich aber gewisse Aussprüche und Erscheinungen mit ihren eigentlichen Gründen
und Zusammenhängen in Verbindung brachte, hat sich mir die klare Überzeugung
aufgedrängt, daß ich meine Körperkultur durchaus nicht aufzugeben brauche, um
ein wahrer Christ zu sein.
Ich will hier versuchen, meine inneren Auseinandersetzungen mit dieser
Materie kurz und klar wiederzugeben.
Der menschliche Körper läßt sich in seiner Bedeutung nach drei ganz ver-
schiedenen Auffassungen betrachten. Und so geschieht es seit jeher bis heute in
drei verschiedenen Weltanschauungen.
Der Materialismus kennt nur Materie, und deshalb ist ihm der menschliche
Körper seiner Qualität nach der großartigste Ausdruck und Gipfelpunkt des
Kosmos. Seine Kultur ist die höchste Kultur, seine Lust die höchste Seligkeit,
seine Kraft und Schönheit Inbegriff aller Macht und Schönheit überhaupt. In
diesem Sinne erhält bei der heutigen Ausbreitung der materialistischen Welt-
anschauung die moderne Körperkultur einen Charakter, der von vielen, und dazu
zählen auch m. E. die wahren Christen, als unsinnig und verderblich abgelehnt
wird. Markante Erscheinungen solcher Körperkultur sind heutzutage folgende:
Der schnellste Läufer und der am härtesten schlagende Faustkämpfer werden mehr
gefeiert als das geistige Genie, der heldenhafte moralische Charakter. Dem nackten
Körper und seiner Darstellung unter verschiedenen Geschlechtern wird in der
Wirklichkeit und Abbildung eine unerhörte, bisher nie dagewesene Geltend-
machung eingeräumt. Die Grundlagen für solche Übertreibungen müssen im
Lichte des wahren Christentums abgelehnt werden, weil sie nicht nur der Ein-
wirkung einer übernatürlichen Kraft hindernd im Wege stehen, sondern auch der
natürlichen Persönlichkeit des ganzen Menschen eine Gefahr sind.
Der Spiritualismus hält den menschlichen Körper entweder für etwas ganz Un-
bedeutendes oder sogar für ein Übel als Hindernis geistiger Höherentwicklung
und steht deshalb der Körperkultur grundsätzlichablehnend gegenüber. Besonders
sind es zwei Hauptformen des Spiritualismus, die sich in der Weltgeschichte ein-
schneidend und über weite Kreise der Menschen hin ausgewirkt haben. Die brah-
manistisch-buddhistische Weltanschauunglndiens geht in ihrer Spekulation von der
Grundüberzeugung aus, die ganze Welt der Erscheinung — also auch der mensch-
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