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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 9
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Helwig, Werner: Wenn Mori Banjo spielt
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0934

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Mori greift weise ins metallene Haar
des Banjos, und während der Tee
summend die Hirne krault,
flutet er uns voll Melodien.
Er und der große Alkohol
machen die Berge tanken beim Lagerfeuer.
An den schwarzen Brüsten der Nacht
mästen sich die hungrigen Sterne.
Wir haben uns das Rasieren abgewöhnt,
ein eisiger Wind, an den man sich lehnt,
ist ein trefflicher Klingenersat^,
aber Mori macht die Bärte wuchern.
Alle Organe wachsen aus ihrem Ort,
der Leib wird ein Palast der Lieder,
ungeheuer groß und tönend
wie Schluchten liegen wir im Klang.
Der Regen läßt sich einschüchtern,
er läutert milde seine Trommeln,
und wie ein Zelt hängt über uns,
vom Wind bedrängt, unser Gesang.
Manchmal schmeißen wir einen Schrei
^u den Sternen hinauf. Er fällt zurück
mit Sternen vermischt. Fällt
über uns hin — ein weißer Hagel.
In den Wald der alten Abenteuer
verführt uns Moris Musik,
wir irren zwischen den Stämmen
der alten Ungewißheiten umher.
Und wieder schwillt das Gefühl innen,
das dumpfe Weinen in die Ferne,
wobei die Seele einwelkt,
angehaucht von heißen Wünschen.
Wie Flüsse, immer ausgegossen,
hinsickernd durch den Wüstensand
oder durch bangen Urwaldrauch
unter allen Schranken unten durch.
Wenn Mori das Banjo weglegt
wie eine ^erküßte Frau,
dann kehren wir in die Gespräche zurück
und in die kühleren Tatsachen.

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