Kapital. Das einfachste Abc gebietet, den Umsatz im Rahmen der Betriebsmittel
zu halten und dementsprechend die Spesen zu senken. In Wirklichkeit wird meist
umgekehrt verfahren: Die Spesen (einschließlich des eigenen Verbrauchs) werden
als Ausgangspunkt genommen, der Umsatz wird entsprechend forciert, und an
diesem erzwungenen Mehrumsatz wird dann die Substanz verloren, die den Gläu-
bigern gehört. Wenn sich Praktiker in eine falsche Theorie verbeißen, dann tun
sie das gründlich. Ein anderer Teil der Zusammenbrüche erfolgt erst dann, wenn
für die Gläubiger überhaupt nichts mehr da ist, d. h. die Schuldner leben, solange
es geht, von ihren Schulden, einfach deshalb, weil sie nicht wissen, was sie nach der
Zahlungseinstellung anfangen sollten. So kommt es, daß viele Unternehmungen
heute lediglich von ihren Passiven leben, während die Aktiven (Grundbesitz,
Maschinen usw.) eingefroren und unverkäuflich sind. — Auch diesen Zuständen
gegenüber vermögen sich Wirtschaft und Gesetzgebung nicht zu entscheidenden
Abhilfemaßnahmen aufzuraffen.
Zu den allgemeinen Faktoren der Entgeistigung der Wirtschaft — Technik,
Druckerschwärze, mechanische Reproduktionsverfahren, Kino, Radio, Sport,
Universalmoden und Universalmeinungen — tritt die Bürokratisierung der Wirt-
schaft in Form der öffentlichen Betriebe, der Konzerne, Fusionen, mit dem Er-
gebnis, daß in den Unternehmungen selbst an die Stelle des freien, unabhängigen
Kaufmanns der Direktor, an die Stelle des Angestellten der Beamte tritt, die natür-
liche Auslese wird erschwert, der Aufstieg zu einem Zufallstreffer gemacht, die
persönliche Leistung wird Eigentum eines Apparates, die Wirtschaft wird Ver-
waltung, das Schlimmste, das ihr passieren kann. Zudem werden wirtschaftliche
Unternehmungen von langer Sicht, ohne die der Blutkreislauf auf die Dauer nicht
möglich ist, immer schwieriger, immer seltener in Angriff genommen; es fehlt der
konstruktive Wille, das Kapital fehlt, und das Risiko ist zu groß; findet sich ein-
mal ein Unternehmer, der bereit ist, zu wagen und nach großen Gesichtspunkten
zu operieren, so gerät er in den Verdacht des Spekulanten.
So rächt sich die Übersteigerung der Quantität, die heute allein herrscht, für
die Ausschaltung des Qualitativen: der Durchschnitt dominiert auch in der Wirt-
schaft mit dem Motto: Wer nichts wagt, nur der gewinnt. Diese skeptische Ver-
fassung findet ihren deutlichen Ausdruck in den Großbanken, in denen auch der
geborene Führer seine beste Kraft am Apparat zerreibt. Aber so untauglich der
deutsche Idealismus als Lebenselement ist, so untauglich ist die Verwaltungs-
resignation als Ferment der Wirtschaft.
Deshalb können nur die Dichter die Wirtschaft retten. Sie müssen sich um die
Wirtschaft bekümmern; nicht im Detail, sondern in der Konzeption. Sie müssen
die notwendigen großen Veränderungen begreifen, intuitiv, prophetisch, als
Seher, und das Neue als Vision gestalten. Wir haben Kulturen, aber keine Kultur;
Wahrheiten, aber keine Wahrheit; Wirtschaften, aber keine Wirtschaft; Köpfe,
aber keinen Kopf; Geister, aber keinen Geist. Er, den wir nirgends mehr ge-
funden haben, ist nicht verlorengegangen, aber er ist zersplittert, verkrümelt,
verkrochen, er wirkt nicht mehr als Element. Er befindet sich im Stadium der
Zahlungsunfähigkeit, und je länger es dauert mit der Sanierung, um so geringer
wird die Quote, mit der der Aufstieg des Geistes und damit der Wirtschaft ins
Werk gesetzt werden muß.
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zu halten und dementsprechend die Spesen zu senken. In Wirklichkeit wird meist
umgekehrt verfahren: Die Spesen (einschließlich des eigenen Verbrauchs) werden
als Ausgangspunkt genommen, der Umsatz wird entsprechend forciert, und an
diesem erzwungenen Mehrumsatz wird dann die Substanz verloren, die den Gläu-
bigern gehört. Wenn sich Praktiker in eine falsche Theorie verbeißen, dann tun
sie das gründlich. Ein anderer Teil der Zusammenbrüche erfolgt erst dann, wenn
für die Gläubiger überhaupt nichts mehr da ist, d. h. die Schuldner leben, solange
es geht, von ihren Schulden, einfach deshalb, weil sie nicht wissen, was sie nach der
Zahlungseinstellung anfangen sollten. So kommt es, daß viele Unternehmungen
heute lediglich von ihren Passiven leben, während die Aktiven (Grundbesitz,
Maschinen usw.) eingefroren und unverkäuflich sind. — Auch diesen Zuständen
gegenüber vermögen sich Wirtschaft und Gesetzgebung nicht zu entscheidenden
Abhilfemaßnahmen aufzuraffen.
Zu den allgemeinen Faktoren der Entgeistigung der Wirtschaft — Technik,
Druckerschwärze, mechanische Reproduktionsverfahren, Kino, Radio, Sport,
Universalmoden und Universalmeinungen — tritt die Bürokratisierung der Wirt-
schaft in Form der öffentlichen Betriebe, der Konzerne, Fusionen, mit dem Er-
gebnis, daß in den Unternehmungen selbst an die Stelle des freien, unabhängigen
Kaufmanns der Direktor, an die Stelle des Angestellten der Beamte tritt, die natür-
liche Auslese wird erschwert, der Aufstieg zu einem Zufallstreffer gemacht, die
persönliche Leistung wird Eigentum eines Apparates, die Wirtschaft wird Ver-
waltung, das Schlimmste, das ihr passieren kann. Zudem werden wirtschaftliche
Unternehmungen von langer Sicht, ohne die der Blutkreislauf auf die Dauer nicht
möglich ist, immer schwieriger, immer seltener in Angriff genommen; es fehlt der
konstruktive Wille, das Kapital fehlt, und das Risiko ist zu groß; findet sich ein-
mal ein Unternehmer, der bereit ist, zu wagen und nach großen Gesichtspunkten
zu operieren, so gerät er in den Verdacht des Spekulanten.
So rächt sich die Übersteigerung der Quantität, die heute allein herrscht, für
die Ausschaltung des Qualitativen: der Durchschnitt dominiert auch in der Wirt-
schaft mit dem Motto: Wer nichts wagt, nur der gewinnt. Diese skeptische Ver-
fassung findet ihren deutlichen Ausdruck in den Großbanken, in denen auch der
geborene Führer seine beste Kraft am Apparat zerreibt. Aber so untauglich der
deutsche Idealismus als Lebenselement ist, so untauglich ist die Verwaltungs-
resignation als Ferment der Wirtschaft.
Deshalb können nur die Dichter die Wirtschaft retten. Sie müssen sich um die
Wirtschaft bekümmern; nicht im Detail, sondern in der Konzeption. Sie müssen
die notwendigen großen Veränderungen begreifen, intuitiv, prophetisch, als
Seher, und das Neue als Vision gestalten. Wir haben Kulturen, aber keine Kultur;
Wahrheiten, aber keine Wahrheit; Wirtschaften, aber keine Wirtschaft; Köpfe,
aber keinen Kopf; Geister, aber keinen Geist. Er, den wir nirgends mehr ge-
funden haben, ist nicht verlorengegangen, aber er ist zersplittert, verkrümelt,
verkrochen, er wirkt nicht mehr als Element. Er befindet sich im Stadium der
Zahlungsunfähigkeit, und je länger es dauert mit der Sanierung, um so geringer
wird die Quote, mit der der Aufstieg des Geistes und damit der Wirtschaft ins
Werk gesetzt werden muß.
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