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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0396

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this nice little complex. Am Abend wird man vorschriftsgemäß in dieser Stadt
ein anderer Mensch — am Abend genießt man in komfortabelster Weise den
Inzest, und was man lange überwunden glaubte, längst in den Orkus abgerutscht
glaubte, wo es hingehört: von neuem hebt dieses Stöhnen an, dieses Schluchzen
in den Hohlraum der auf den Tisch gelegten Arme hinein (was besonders echte
und ergreifende Klangeffekte gibt), die unvollendeten halben Sätze, in strahlendem]
Wahnsinn lächelnd gesprochen, das plötzliche Aufbrüllen im Schmerz, wenn
dieser nämlich unerträglich wird, das plötzliche Innehalten — kurzum die ganzen
alten seelentechnischen Versatzstücke einer Zeit, die man längst erledigt glaubte —
wir müssen alles, alles wieder schlucken. Wir müssen auch die Schicksale indi-
vidueller Dienstmädchen verfolgen, müssen zusehen, wie Mann und Frau um den
Tisch Sich-Kriegen spielen und sich hassen, hassen, hassen — und sich doch nicht
kriegen. Was war das für ein sauberes Spiel in der „Gartenlaube", und was für
ein altes verstaubtes Panoptikumsgerümpel liegt in diesem Stück herum.
Das wäre das repräsentative deutsche Stück von heute — und nicht von
unserem einzigen wirklich begabten Dramatiker, der doch wenigstens auf zehn
Stücke ein gutes schreibt: Herr Georg Kaiser scheint in die Versenkung hinab-
getaucht zu sein.
Rettung aus dieser Not bringt nur das Ausland, von dem uns unabhängig
zu machen durch Selbstverfertigung „angelsächsischer" und „kolonialer" Stücke
unsere eigenen Dichter sich alle Mühe geben. Und wie man jeden deutschen
Kellner dadurch beleidigen würde, daß man bei ihm schlechthin eine „Tasse
Kaffee" bestellt, und ihm nur wahrhaft imponiert, wenn man ihm einen „Mocca
double" in Auftrag gibt, so muß bei uns gleich alles überenglisch sein. Da werden
blaser getragen mit Nelken nebst Grünzeug im Knopfloch, auffallend karierte
Breeches, die aus der Enge um den Unterschenkel mit Riesenschwung zur Weite
des oberen Teils übergehen, und das Ganze nennt man — Gipfel des Raffine-
ments — „6 apihl" (ohne leider zu bedenken, daß a) dieses Wort entsetzlich
demodiert ist, und daß b) jeder Engländer vor diesem Wort einen Horror hat,
daß eben dieses Wort kein englisches, sondern amerikanisches ist).
Franzosen, wenn sie etwas anderes schreiben als die ihnen geläufigen, kleinen
Vorkommnisse des täglichen Lebens, wenn sie mystisch oder intellektuell werden,
fallen meistens mager aus. Der Hauptgewinn des Stückes des leicht französisch



Leibniz-
Keks
Enthält nur feinste
Molkereibutter


FÜR DEN SPORT

ZUM TEE
ZUM KAFFEE
ZUM DESSERT

FÜR DIE REISE

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