das wäre etwas für mich zu bearbeiten. Aufschieben war mein größter Fehler von
jeher." Er plant einen Roman, Bilder wie die Kupferstiche von Hogarth, die eins
seiner Werke „ausführlich erklärt". Aber er kommt nur zu „Fragmenten von
Erzählungen" und zu Humoresken.
Er ist Hesse, als achtzehntes Kind eines Dorfpfarrers zu Ober-Ramstädt bei
Darmstadt im Juli 1742 geboren. Sein Defekt ist die Folge des Ungeschicks einer
Magd. Er wird nach dem Tode seines Vaters, der 1745 als erster Stadtpfarrer
nach Darmstadt geht, dort Gymnasiast, studiert in Göttingen, wird außerordent-
licher, 1775 ordentlicher Professor der Naturwissenschaften. Er hat ein „Mädgen",
Maria Dorothea Stechard, die Blumenverkäuferin auf der Göttinger Promenade
war und bis zu ihrem Tode im Jahre 1782, als Siebzehnjährige, mit ihm zusammen-
lebt. Aber er schreibt keine erotische Lyrik. Seine wenigen Gedichte sind
Satirica und Epigramme: auf Göttingen, „berühmt in allerlei Bedeutung / durch
Würste, Bibliothek und Zeitung, / durch Professorn und Regenwetter", auf
Studenten und Polizei, „auf ein schönes Mädgen, das in der Kirche sehr andächtig
war", Neujahrswünsche für seinen Verleger Dieterich, bei dem er wohnt, oder
etwa einen Barbier in Osnabrück, „auf die Weiber in Göttingen, die Schleier um
sich hängen, die nur das Gesicht bloßlassen", auf eine Postkutschenfahrt nach
Gotha. 1770 reist er mit Subvention der hannöverschen Regierung zum erstenmal
nach England. „Ich bin eigentlich nach England gegangen, um deutsch zu lernen",
sagt er in seinem Tagebuch. An Dieterich über die Frauenzimmer in London:
„Die Aufwärterin, die mir täglich Feuer in dem Kamin macht und die Bettpfanne
bringt, kommt zuweilen mit einem schwarzen, zuweilen mit einem weißen seidenen
Hute und mit einer Art von Schlender in die Stube, trägt ihre Bettpfanne mit so
vieler Grazie als manche deutsche Damen den Parasol, kniet in diesem Anzuge
mit einer Nonchalance vor dem Bette nieder, daß man glauben sollte, sie hätte
vierzig solcher Schlender, und spricht dabei ein Englisch, wie es in den besten
Büchern steht. Von solchen Kreaturen wimmeln alle Straßen." In den Jahren
bis 1774 ist er nur manchmal in Hannover, Osnabrück, Stade oder Celle, wo er
die nach dem Prozeß gegen Struensee verbannte Königin Karoline Mathilde von
Dänemark sieht. Seine Briefe an die Dieterichs sind Schnurren wie die Prosa von
Sterne. Von 1774 bis 1775 zweite Reise nach England. Lichtenberg ist Logiergast
der Krone in Kew. „Ich sitze noch immer", schreibt er an Boie, „in dem neblichten
Kew, bewohne ein königliches Haus allein, schlafe zwischen königlichen Bett-
tüchern, trinke königlichen Rheinwein und kaue, wenigstens zweimal in der
Woche, mein königliches roast beef." Im Februar 1775 ist er in London, mit
Johann Reinhold Forster, Georg Forsters Vater. Das „Deutsche Museum" von
1776 und 1778 veröffentlicht seine an Boie adressierten Theaterbriefe: über den
großen Garrick, seine komischen Rivalen Weston und Quin, die Cordelia der
Barry („es ist das Größte, was ich in der Art von einer Schauspielerin gesehen
habe, noch jetzt das Fest meiner Phantasie, und ich werde das Andenken an diese
Szene nur mit meinem Leben verlieren"), den Shylock von Maclean.
1778 gibt Lichtenberg den „Göttingischen Taschenkalender" heraus, von
1780 bis 1784 mit Georg Forster das „Göttingische Magazin der Wissenschaften
und Literatur". Im November 1780 an den Professor Baldinger: „so ging's
trapp, trapp, trapp als wie auf Bürgers Hufen die Treppe herauf, und siehe, es
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jeher." Er plant einen Roman, Bilder wie die Kupferstiche von Hogarth, die eins
seiner Werke „ausführlich erklärt". Aber er kommt nur zu „Fragmenten von
Erzählungen" und zu Humoresken.
Er ist Hesse, als achtzehntes Kind eines Dorfpfarrers zu Ober-Ramstädt bei
Darmstadt im Juli 1742 geboren. Sein Defekt ist die Folge des Ungeschicks einer
Magd. Er wird nach dem Tode seines Vaters, der 1745 als erster Stadtpfarrer
nach Darmstadt geht, dort Gymnasiast, studiert in Göttingen, wird außerordent-
licher, 1775 ordentlicher Professor der Naturwissenschaften. Er hat ein „Mädgen",
Maria Dorothea Stechard, die Blumenverkäuferin auf der Göttinger Promenade
war und bis zu ihrem Tode im Jahre 1782, als Siebzehnjährige, mit ihm zusammen-
lebt. Aber er schreibt keine erotische Lyrik. Seine wenigen Gedichte sind
Satirica und Epigramme: auf Göttingen, „berühmt in allerlei Bedeutung / durch
Würste, Bibliothek und Zeitung, / durch Professorn und Regenwetter", auf
Studenten und Polizei, „auf ein schönes Mädgen, das in der Kirche sehr andächtig
war", Neujahrswünsche für seinen Verleger Dieterich, bei dem er wohnt, oder
etwa einen Barbier in Osnabrück, „auf die Weiber in Göttingen, die Schleier um
sich hängen, die nur das Gesicht bloßlassen", auf eine Postkutschenfahrt nach
Gotha. 1770 reist er mit Subvention der hannöverschen Regierung zum erstenmal
nach England. „Ich bin eigentlich nach England gegangen, um deutsch zu lernen",
sagt er in seinem Tagebuch. An Dieterich über die Frauenzimmer in London:
„Die Aufwärterin, die mir täglich Feuer in dem Kamin macht und die Bettpfanne
bringt, kommt zuweilen mit einem schwarzen, zuweilen mit einem weißen seidenen
Hute und mit einer Art von Schlender in die Stube, trägt ihre Bettpfanne mit so
vieler Grazie als manche deutsche Damen den Parasol, kniet in diesem Anzuge
mit einer Nonchalance vor dem Bette nieder, daß man glauben sollte, sie hätte
vierzig solcher Schlender, und spricht dabei ein Englisch, wie es in den besten
Büchern steht. Von solchen Kreaturen wimmeln alle Straßen." In den Jahren
bis 1774 ist er nur manchmal in Hannover, Osnabrück, Stade oder Celle, wo er
die nach dem Prozeß gegen Struensee verbannte Königin Karoline Mathilde von
Dänemark sieht. Seine Briefe an die Dieterichs sind Schnurren wie die Prosa von
Sterne. Von 1774 bis 1775 zweite Reise nach England. Lichtenberg ist Logiergast
der Krone in Kew. „Ich sitze noch immer", schreibt er an Boie, „in dem neblichten
Kew, bewohne ein königliches Haus allein, schlafe zwischen königlichen Bett-
tüchern, trinke königlichen Rheinwein und kaue, wenigstens zweimal in der
Woche, mein königliches roast beef." Im Februar 1775 ist er in London, mit
Johann Reinhold Forster, Georg Forsters Vater. Das „Deutsche Museum" von
1776 und 1778 veröffentlicht seine an Boie adressierten Theaterbriefe: über den
großen Garrick, seine komischen Rivalen Weston und Quin, die Cordelia der
Barry („es ist das Größte, was ich in der Art von einer Schauspielerin gesehen
habe, noch jetzt das Fest meiner Phantasie, und ich werde das Andenken an diese
Szene nur mit meinem Leben verlieren"), den Shylock von Maclean.
1778 gibt Lichtenberg den „Göttingischen Taschenkalender" heraus, von
1780 bis 1784 mit Georg Forster das „Göttingische Magazin der Wissenschaften
und Literatur". Im November 1780 an den Professor Baldinger: „so ging's
trapp, trapp, trapp als wie auf Bürgers Hufen die Treppe herauf, und siehe, es
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