Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 10.1930
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Heft 6
DOI article:Aldanov, Mark A.: Pilsudskis Aufstieg[1]
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Rudolf Großmann
gerade gute. Im Dezember
1914 verbot Hindenburg den
Legionen den Aufenthalt in
der von den Deutschen
okkupierten Zone; sie
mußten auf österreichischem
Territorium bleiben. Allein
nach der Wiederherstellung
des polnischen Staates be-
gann die deutsche Oberste
Heeresleitung in der Person
Beselers Pilsudski zu um-
schmeicheln, jedenfalls mit
dem Zweck, durch ihn eine
polnische Freiwilligenarmee
zu erhalten. SeineVolkstüm-
lichkeit wuchs, um seinen
Namen woben sich Legen-
den. Pilsudski trat dem in
Warschau gebildeten zeit-
weiligen Staatsrat bei und
wurde zumVorsitzenden der
Kriegskommission gewählt.
Er führte eine sehr kluge,
sehr feine, wahrhaft vater-
ländische Politik, indem er von den Deutschen immer neue Konzessionen
forderte und sich von den deutsch-österreichischen Angelegenheiten allmählich
lossagte.
Es kam zur russischen Revolution. Die „Zeitweilige Regierung" proklamierte
die Unabhängigkeit Polens. In Pilsudskis Verhältnis zu Rußland trat ein Bruch
ein. Er plante sogar, im Flugzeug die Grenze zu überfliegen: offenbar wollte er
eine neue Armee aus den in den Reihen der Russen kämpfenden Polen organi-
sieren. Dieser Plan fand keine Verwirklichung. Allein das „Pathos", von dem der
Kampf im Bunde mit Deutschland bisher getragen worden war, flaute in der
stürmischen Seele Pilsudskis mit jedem Tage ab...
Die Erwartungen Beselers bewahrheiteten sich nicht völlig: anstatt einer
Armee polnischer Freiwilliger erschienen nur 1373 Mann, von denen sich bloß
697 als kriegstauglich erwiesen. Ludendorff geriet in Wut. Wie es kommen konnte,
daß dieser alte erfahrene Militär damit gerechnet hatte, im dritten Kriegsjahr von
Polen eine Armee (man sprach von 800 000 Mann) neuer Soldaten zu erhalten,
bleibt ein Rätsel. Die deutsche Oberste Heeresleitung schrieb diesen Mißerfolg
der Agitation Pilsudskis, den Intrigen seiner Agenten zu. Am 21. Juli 1917 wurde
Pilsudski in Warschau verhaftet und zuerst nach Danzig, dann nach Magdeburg
geschafft. Einen größeren Dienst hätten ihm die Deutschen gar nicht erweisen
können.
Am 9. November 1918, am Tage der deutschen Revolution, wurde er aus der
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