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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 1
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Penton, Brian: Was verdient der englische Romanschriftsteller?
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0061
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Charles Dickens .80 000 Pfund Sterling
Thomas Hard, .91 000 ,, „
Rider Haggard.61 500 „
George Meredith .32 000 „
Bulhver Lytton .80 000
Stanley We,man.99 500 „ ,,
Florence Barcia, .33 000 ,, „
Marie Corelli.24 000 „ „
Das waren die Glücklichen — wenn auch nicht gerade die besten. Der einzig
verdienstvolle Schriftsteller, der seiner Begabung entsprechend verdiente, war
Rostand, der aus dem „Cyrano der Bergerac" 250 000 Pfund Tantiemen erzielte.
Daudet bekam für seine „Sappho" 40 000 Pfund, und ich finde George Elliot
mit 8000 Pfund für „Middlemarch" ausgezeichnet bezahlt, aber für „Adam Bede",
ein Monument der Langeweile, das ihr 40 000 Pfund brachte, weit überzahlt.
Israel Zangwill hinterließ nur 3000 Pfund und Barry Pain 1000 Pfund. R. L. Steven-
son hatte gerade genug, um bequem in den Südseeländern leben zu können, und
Gissing war immer ein Hungerleider. Disraeli wiederum bekam für „Lothair"
und „Endymion", beides undiskutabel langweilige Bücher, die heutzutage
niemand mehr liest, 21 000 Pfund. Henry James hat sich gerade seinen Lebens-
unterhalt zusammengeschrieben.
So war die Situation im goldenen Zeitalter der englischen Romanschrift-
stellerei. In den letzten 25 Jahren hat sich das Blatt vollkommen gewendet. Denn
selbst wenn ein Buch heute gut geht, so braucht das, wie man logischerweise
annehmen sollte, mit guten Einnahmen für den Autor nicht mehr zusammen-
zuhängen. Oft verkauft der Verleger an Leihbibliotheken einen ganzen Ballen
desselben Werkes zu bedeutend herabgesetztem Preis und zahlt dem Autor dann
nur einen entsprechend niedrigeren Anteil aus. Vor fünfzig Jahren kauften sich
die Leute wenigstens die Romane, die sie lasen, heute leihen sie sie sich aus den
Bibliotheken.
Männer wie Aldous Huxley, die in England und Amerika ständig gekauft
werden, verdienen an ihren Romanen nicht mehr als 1500 oder 2000 Pfund im
Jahr. Darum sind viele Schriftsteller zum Modus des Rentenvertrages über-
gegangen, der ihnen ein monatliches Fixum von etwa 100 Pfund zusichert, wofür
sie sich verpflichten, jährlich zwei oder drei Bücher zu schreiben. Alles in allem
verdient Huxley mit dem Journalismus etwa 7000 oder 8000 Pfund jährlich — aus
seinen Artikeln im „Vanity Fair" und den Erstdrucken seiner Essays und Novellen
in anderen Magazinen. Auf ähnliche Weise schlagen sich heute die meisten eng-
lischen Schriftsteller durch.
Jedem, der, durch Victor Hugos Nachlaß von 300 000 Pfund verleitet, sich
der Buchstabenkarriere verschreiben will, sei geraten, sich doch die Situation
des heutigen Schriftstellers einmal nüchtern anzusehen. Ist nicht der Autor, der
vom Verleger und Buchhändler abhängig ist, dem unglückseligen Laich einer
Auster vergleichbar, der über die Wasser geschwemmt wird, wo schon 75 000
verschiedene Gattungen von Krabben, Hummern, Aalen, Fischen, Würmern
und die Unzahl gefräßiger Meerestierchen nur dazu da sind, ihn aufzufressen,
bevor er eine Auster wird und Menschen ihn verzehren?

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