die Bauern-Partei, vermochte sie zu überbrücken und zu einer Einheit zu organi-
sieren. Diese Partei, ursprünglich von sozialistischen Absichten unterbaut, ist
im Laufe ihrer Entwicklung zur Regierungspartei eine national-tzaranistische
geworden. An ihrem Führer Juliu Maniu wird allgemein gründlicher Idealismus
und persönliche Integrität gerühmt, was seinen „liberalen" Vorgängern, die
lange das Land beherrschten, nicht gerade nachgesagt wurde. Dr. Maniu,
früher Rechtsanwalt in Siebenbürgen, hat den Sohn Ferdiands, der noch
zu Lebzeiten des Vaters abgedankt hatte, wieder ins Land gebracht und
zum König Carol II. gemacht — denn abgesehen davon, daß seine Partei und
Regierung die Brise einer populären Bewegung brauchte, ist er wohl der Meinung,
daß Erotik Privatsache sei. Maniu selbst, Junggeselle, wohnt im Hotel Athenee
Palace in Bukarest, und, wenn ich recht berichtet bin, kann man ihn in den kleinen
Pausen seines (wirklich ernst betriebenen) Regierungsgeschäfts mit den schönen
Damen des Bukarester Abendkorsos promenieren sehen. Er ist nichtsdestotrotz
(oder vielleicht eben deswegen) ein vortrefflicher Regierungschef und Partei-
führer. Warum sollte Carol II. kein guter König werden?
Carol der Kronprinz trennte sich von seiner Mutter Maria wegen des
Prinzen Barbu Stirbey, der einer Hofkamarilla vorstand. Von seinem Throne
trennten ihn seine Liebschaften. Carol bewies in der Wahl seiner Ge-
liebten immer ein demokratisches Gefühl. Von Maria Lupescu, der rothaarigen,
sommersprossigen Tochter eines Apothekers in Jassy, war er nicht loszubringen,
und obschon er inzwischen eine griechische Helena geheiratet und einen Kron-
prinzen gezeugt hatte, zeigte er sich ruhig mit der jüdischen Geliebten in den
Bars von Milano, der ersten Station seines Exils. Der alte Lupescu in Jassy ging
stolz durch die Strada Stefan der Große, oder auch besorgt, wenn „die Kinder"
einmal nichts geschrieben hatten — und das eine Kind war der Vater des Königs
von Rumänien, des vierjährigen Mihai I. ... Carols erste offizielle Frau, die
schöne Zizi Lambrino, Tochter eines Offiziers, fesselte ihn dermaßen, daß er
sich mit ihr in Odessa kriegstrauen ließ. Es gab ein großes Aufsehen im Lande
und Ärgernis am Hofe. Als einige Jahre später (die Ehe war schon rückgängig
gemacht, obwohl ein Kind sie gesegnet hatte) Zizi ihrem Nachbar Professor
Jorga (Carols Erzieher und der erste Gelehrte des Landes) sagen ließ, er möge
seine „Maschine" — so nennen alle Rumänen das Auto — nicht unter ihren
Fenstern rattern lassen, erwiderte er, seine Maschine sei nicht so gefährlich wie
ihre Maschine, die Rumänien ins Unglück gestürzt habe . ..
Die Rumänen lieben kräftige Ausdrücke, sie haben eine besondere Begabung
wie für die Politik so für Flüche, deren Metaphorie ihresgleichen sucht in der
Flora der europäischen Sprachen. Die rumänische ist, nehmt alles nur in allem,
eine der schönsten an Klang, der lateinischsten an oratorischem Ausdruck. Das
Partizip feiert ungeahnte Triumphe. Die Perioden rollen natürlichen Schwunges,
von Musik getragen, nicht von der Mathematik (wie im Deutschen). Es gibt
Europäer, die ernstlich glauben, Rumänien sei von Slawen bewohnt und die
rumänische Sprache sei eine der vielen Töchter der russischen Allmutter. Ein
gebildeter Wiener, der zufällig einen italienischen Namen trägt, aber von der
deutschen Sprache lebt, die er schreibt, hielt das Rumänische für eine Art Espe-
ranto, ein phonetisches Übereinkommen. In Wirklichkeit apostrophiert der
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sieren. Diese Partei, ursprünglich von sozialistischen Absichten unterbaut, ist
im Laufe ihrer Entwicklung zur Regierungspartei eine national-tzaranistische
geworden. An ihrem Führer Juliu Maniu wird allgemein gründlicher Idealismus
und persönliche Integrität gerühmt, was seinen „liberalen" Vorgängern, die
lange das Land beherrschten, nicht gerade nachgesagt wurde. Dr. Maniu,
früher Rechtsanwalt in Siebenbürgen, hat den Sohn Ferdiands, der noch
zu Lebzeiten des Vaters abgedankt hatte, wieder ins Land gebracht und
zum König Carol II. gemacht — denn abgesehen davon, daß seine Partei und
Regierung die Brise einer populären Bewegung brauchte, ist er wohl der Meinung,
daß Erotik Privatsache sei. Maniu selbst, Junggeselle, wohnt im Hotel Athenee
Palace in Bukarest, und, wenn ich recht berichtet bin, kann man ihn in den kleinen
Pausen seines (wirklich ernst betriebenen) Regierungsgeschäfts mit den schönen
Damen des Bukarester Abendkorsos promenieren sehen. Er ist nichtsdestotrotz
(oder vielleicht eben deswegen) ein vortrefflicher Regierungschef und Partei-
führer. Warum sollte Carol II. kein guter König werden?
Carol der Kronprinz trennte sich von seiner Mutter Maria wegen des
Prinzen Barbu Stirbey, der einer Hofkamarilla vorstand. Von seinem Throne
trennten ihn seine Liebschaften. Carol bewies in der Wahl seiner Ge-
liebten immer ein demokratisches Gefühl. Von Maria Lupescu, der rothaarigen,
sommersprossigen Tochter eines Apothekers in Jassy, war er nicht loszubringen,
und obschon er inzwischen eine griechische Helena geheiratet und einen Kron-
prinzen gezeugt hatte, zeigte er sich ruhig mit der jüdischen Geliebten in den
Bars von Milano, der ersten Station seines Exils. Der alte Lupescu in Jassy ging
stolz durch die Strada Stefan der Große, oder auch besorgt, wenn „die Kinder"
einmal nichts geschrieben hatten — und das eine Kind war der Vater des Königs
von Rumänien, des vierjährigen Mihai I. ... Carols erste offizielle Frau, die
schöne Zizi Lambrino, Tochter eines Offiziers, fesselte ihn dermaßen, daß er
sich mit ihr in Odessa kriegstrauen ließ. Es gab ein großes Aufsehen im Lande
und Ärgernis am Hofe. Als einige Jahre später (die Ehe war schon rückgängig
gemacht, obwohl ein Kind sie gesegnet hatte) Zizi ihrem Nachbar Professor
Jorga (Carols Erzieher und der erste Gelehrte des Landes) sagen ließ, er möge
seine „Maschine" — so nennen alle Rumänen das Auto — nicht unter ihren
Fenstern rattern lassen, erwiderte er, seine Maschine sei nicht so gefährlich wie
ihre Maschine, die Rumänien ins Unglück gestürzt habe . ..
Die Rumänen lieben kräftige Ausdrücke, sie haben eine besondere Begabung
wie für die Politik so für Flüche, deren Metaphorie ihresgleichen sucht in der
Flora der europäischen Sprachen. Die rumänische ist, nehmt alles nur in allem,
eine der schönsten an Klang, der lateinischsten an oratorischem Ausdruck. Das
Partizip feiert ungeahnte Triumphe. Die Perioden rollen natürlichen Schwunges,
von Musik getragen, nicht von der Mathematik (wie im Deutschen). Es gibt
Europäer, die ernstlich glauben, Rumänien sei von Slawen bewohnt und die
rumänische Sprache sei eine der vielen Töchter der russischen Allmutter. Ein
gebildeter Wiener, der zufällig einen italienischen Namen trägt, aber von der
deutschen Sprache lebt, die er schreibt, hielt das Rumänische für eine Art Espe-
ranto, ein phonetisches Übereinkommen. In Wirklichkeit apostrophiert der
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