von starken Salaten begleitet.
Das gilt für die städtischen
Restaurants, die sich übrigens
sommers aufs Trottoir breiten.
Der Bauer ißt sich an seiner
Mamaliga satt, der festeren
Polenta aus Mais, dazu nimmt
er, wenn ers hat, Butter und
Käse oder Rahm und Sahne.
Bauer und Bojar trinken, was
die Flasche und mehr als die
Tasche hergibt. Der Wein
wächst gut im Land, aber der
Kleinbürger trinkt gern heimi-
sches Bier. Beim Trinken wird
Politik gemacht. In den Salons
wird von denDamen undOffizie-
ren Poker gespielt, in der klein-
städtischen Bierhalle Table. Es
gibt Gesangvereine, namentlich
unter den Studenten, aber keine
Kegelbahnen. Die Studenten —
eine Macht, mit der man rech-
nen muß — machen auch Politik
und zeigen sich ostentativ in
der bäuerlichen Nationaltracht.
Ernst Wagner
Es gibt eine Nationalliteratur, und Nationaltheater mit festem Ensemble in
den Provinzhauptstädten, in Bukarest sogar eine Staatsoper und ein Philharmo-
nisches Orchester. Bukarest ist überhaupt eine Theaterstadt, es hat zehn Bühnen und
eine täglich erscheinende Theaterzeitung. Der rumänische Journalismus ist aus-
gezeichnet, witzig und frech. Die Literatur gipfelte bisher im romantischen
Lyriker Eminescu, im lyrischen Dramatiker Alexandri, im Volksstückdichter
und Humoristen Caragiale. Neue Lyriker (zumeist Symbolisten) sind Cerna, Anghel,
Arghezi, Goga (dieser ist wohl der erste Lyriker der Welt, der es zum Innenminister
brachte), ein Novellist und Romancier von Rang Rebreanu. Die Literatur ist so
jung, daß sie jetzt erst beim poetischen Realismus unserer neunziger Jahre hält.
In Bukarest gibt es natürlich auch Futuristen und Pirandellisten — aber noch
immer werden romantische Versdramen geschrieben, selbst von Journalisten.
Die Literaten klagen über das geringe Echo — folglich ist man überrascht,
wenn plötzlich im Cafe Capsa ein feierlicher Herr im Jackett und Zylinder auf-
steht und mit schmetternder Stimme die Gründung einer „wirklich unabhängigen"
neuen Zeitschrift für Kultur und Kunst ankündigt. In Wirklichkeit ist die Öffent-
lichkeit namentlich in Bukarest sehr groß, und Frauen, Dandies, Schauspieler.
Künstler, Offiziere, Politiker und auch die königliche Familie scheinen immerfort
unter Scheinwerfern zu agieren. Man ist sehr beweglich, wenn auch nicht sehr
fleißig. Der Rumäne ist Romane und zugleich Orientale — er ist Südländer.
435
Das gilt für die städtischen
Restaurants, die sich übrigens
sommers aufs Trottoir breiten.
Der Bauer ißt sich an seiner
Mamaliga satt, der festeren
Polenta aus Mais, dazu nimmt
er, wenn ers hat, Butter und
Käse oder Rahm und Sahne.
Bauer und Bojar trinken, was
die Flasche und mehr als die
Tasche hergibt. Der Wein
wächst gut im Land, aber der
Kleinbürger trinkt gern heimi-
sches Bier. Beim Trinken wird
Politik gemacht. In den Salons
wird von denDamen undOffizie-
ren Poker gespielt, in der klein-
städtischen Bierhalle Table. Es
gibt Gesangvereine, namentlich
unter den Studenten, aber keine
Kegelbahnen. Die Studenten —
eine Macht, mit der man rech-
nen muß — machen auch Politik
und zeigen sich ostentativ in
der bäuerlichen Nationaltracht.
Ernst Wagner
Es gibt eine Nationalliteratur, und Nationaltheater mit festem Ensemble in
den Provinzhauptstädten, in Bukarest sogar eine Staatsoper und ein Philharmo-
nisches Orchester. Bukarest ist überhaupt eine Theaterstadt, es hat zehn Bühnen und
eine täglich erscheinende Theaterzeitung. Der rumänische Journalismus ist aus-
gezeichnet, witzig und frech. Die Literatur gipfelte bisher im romantischen
Lyriker Eminescu, im lyrischen Dramatiker Alexandri, im Volksstückdichter
und Humoristen Caragiale. Neue Lyriker (zumeist Symbolisten) sind Cerna, Anghel,
Arghezi, Goga (dieser ist wohl der erste Lyriker der Welt, der es zum Innenminister
brachte), ein Novellist und Romancier von Rang Rebreanu. Die Literatur ist so
jung, daß sie jetzt erst beim poetischen Realismus unserer neunziger Jahre hält.
In Bukarest gibt es natürlich auch Futuristen und Pirandellisten — aber noch
immer werden romantische Versdramen geschrieben, selbst von Journalisten.
Die Literaten klagen über das geringe Echo — folglich ist man überrascht,
wenn plötzlich im Cafe Capsa ein feierlicher Herr im Jackett und Zylinder auf-
steht und mit schmetternder Stimme die Gründung einer „wirklich unabhängigen"
neuen Zeitschrift für Kultur und Kunst ankündigt. In Wirklichkeit ist die Öffent-
lichkeit namentlich in Bukarest sehr groß, und Frauen, Dandies, Schauspieler.
Künstler, Offiziere, Politiker und auch die königliche Familie scheinen immerfort
unter Scheinwerfern zu agieren. Man ist sehr beweglich, wenn auch nicht sehr
fleißig. Der Rumäne ist Romane und zugleich Orientale — er ist Südländer.
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