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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

DOI issue:
Heft 7
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Cohen-Portheim, Paul: Spanischer Salat
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0688

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haftet Edelsteine, eine Kunst rhythmischer Bewegung, wie die des russischen
Balletts, des reinen Lichts wie von Alpenglühen oder Mondnacht. Es ist etwas
noch nie Dagewesenes und vielleicht in diesem spanischen Übermaß nie Wieder-
kehrendes, und es ist jeden Abend für 80 Pfennige deutscher Währung zu sehen.
Die Ausstellung hat, wie es sich gehört, ein geradezu majestätisches Defizit auf-
zuweisen, auf das Barcelona ebenso stolz ist wie auf die Ausstellung selbst.
Für andere Dinge scheint man sich daneben nicht allzu stark zu interessieren.
Z. B. Politik. Die Primo-Episode ist vorüber, der neue Mann heißt Berenguer
und gilt als persönlicher Freund des Königs. Er soll das Land allmählich wieder
„konstitutionellen Zuständen" zuführen, das ändert aber nicht viel, denn in
Spanien ist, weil es im Orient liegt, seit jeher jede Regierung eine persönliche,
und der Grad der Autokratie ändert sich
nur wenig. Das ganze System ist nach
europäischen Begriffen äußerst korrupt
und verwerflich, und hierzu kommt noch
die ungebrochene Macht der alleinselig-
machenden Kirche. Spanien müßte, allen
Lehrbüchern zufolge, ein elendes und
unglückliches Land sein, tatsächlich ist
es ein blühendes und glückliches. Ich
glaube, daß nur intellektuelle Kreise
aufrichtig Reformen ersehnen, die sie von
einer Republik erwarten, und nur Gene-
räle und die Armee wirklich politische
Macht ausüben, während die große
Menge ganz uninteressiert ist. Und ich
glaube nicht, daß sich in absehbarer Zeit
hieran etwas ändern wird. Überall findet
man neue gute Straßen, überall wird
gebaut und projektiert, ganz zweifellos
ist das Land im Aufschwung, und in
Aufschwungsstimmung sehnt man sich
nicht nach Umsturz. Mittlerweile hat
Barcelona, das als Zentrum republika-

Bagaria
General Berenguer oder die „Brückenregierung"
nischer, revolutionärer und Unabhängig-
k eitsbestrebungen gilt, dem König einen neuen Riesenpalast gebaut (wo in der
Welt baut man sonst noch heute Königspaläste?), der weit außerhalb der Stadt
liegt und zu dem eine riesige Autostraße führt. Statt für Politik interessiert sich
die Bevölkerung für „futbol" (lies football) und Stierkämpfe; die Stadt erfreut
sich jetzt dreier Arenen, und in der Ausstellung liegt ein riesiges neues Stadion.
Daneben lebt ungestört die graue Vorzeit (die hier blau ist); in Parks und Plätzen
tanzt man Sardanas, eigentümlich hüpfende Rundtänze, denen sich jeder, der
gerade Lust hat, anschließt, so daß man neben Kindern ältere Herren im Zylinder
hüpfen sieht. Chöre singen bei allen möglichen Gelegenheiten in den Straßen
— irgendein Fest ist ja stets —, und ihre roten phrygischen Mützen sind seit
Griechenzeit unverändert. Die Majorität läßt sich ununterbrochen die Stiefel

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