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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

DOI issue:
Heft 8
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Cocteau, Jean: Grundsätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0817

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GRUNDSÄTZE
Von
JEAN COCTEAU

Kunst ist die fleischgewordne Wissenschaft.
Der Musiker öffnet den Zahlen den Käfig, der Zeichner befreit die
Geometrie.

Ein Kunstwerk muß alle Musen befriedigen. Das nenn ich seine Neuner-
probe.

Ein junger Mann soll keine
sichern Werte kaufen.
Der Takt in der Kühnheit
besteht darin: zu wissen, wie
weit man gerade noch sprin-
gen kann.
Wir müssen Baudelaires
Vorurteil verlieren. Baude-
laire war Bürger. Das Bür-
gertum ist unsere große
Mutter. Alle französischen
Künstler gehen aus ihm her-
vor. Bei uns stehen hinter
jedem bedeutenden Werk ein
Haus, eine Lampe, ein Herd,
Brot, Wein und Pfeifen...
Unser Instinkt verlangt
nach einer Methode, die ihn
leitet; aber einzig der Instinkt
hilft, die uns eigene Methode
zu entdecken, durch die wir
ihn leiten können.


Cocteau

Unter den Komödianten gibt es Taschenspieler, die uns belustigen; aber
man verzeiht ihnen nur, wenn der Griff gelang. Ein Kaninchen in einen Hut
zu legen und nachher aus einem Käfig zu ziehen, gefällt. Aber ein Kaninchen
hineinzutun und ein Kaninchen herauszuziehen... sollte sich dieser
schlechte Taschenspieler für einen Dichter halten?
Die Quelle tadelt fast immer den Lauf des Flusses.
So kann der Mann, der als der Vater einer Schule gilt, weil er sie schuf,

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