Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 10.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0081
DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:Kenney, Rowland: Pubs sind keine Bars
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PUBS SIND KEINE BARS
Von
ROLLAND KENNEY
Es gibt nur Pubs und sogenannte Pubs.
Reiche Kriegsgewinnler im Piccadilly sprechen von einem „Pub um die
Ecke" und meinen damit die „American Bar" des nächstgelegenen Weltstadtluxus-
hotels. Flotte Mädchen mit kurzen
Röcken sprechen renommierend von
dem „drink", den sie soeben in einem
„Pub" eingenommen haben. Und der
„drink" war nur ein Schablonen-
Cocktail des Hotels, in dem sie woh-
nen. Die American Bar und das
Westend-Hotel haben ebensoviel
Zwangs- oder Wahlverwandtschaft
mit dem englischen Pub wie der
Cocktail mit unserem bitteren dün-
nen hellen Bier. Die American Bar
bleibt eine verdammte American Bar,
und einem Westendhotel soll man
aus dem Wege gehen. Und der Pub
ist eben ein Pub.
Pubs sind nicht einander gleich.
Manche sind schmutzig, sind nur
Schankstätten, die Besucher sind
krakehlerisch, verschlossen und lang-
weilig. Es singt nichts in ihrem
Herzen. Sie schreien und sie fluchen,
und die Geschichten, die sie erzählen,
sind nur schmutzig.
Der gute alte echte Pub hängt mit
einem dünnen Seidenfaden an seiner
nicht weniger alten Tradition. Im
lieben alten Pub stehen lange hell-
gescheuerte Eichentische, bequeme
Bänke, dreibeinige Stühle, Sessel a geschnitztem Holz. Alles ist sauber.
Der Fußboden mag aus Fliesen bestehen, aber diese Fliesen sind gewaschen
und mit Sand bestreut. Die Steine im Herd und auf der Türschwelle sind
mit Kalkmilch geweißt, und manchmal steht auch noch ein Spucknapf in
einer Ecke. Kupferne Maßgefäße hängen über dem Schanktisch, das Bier, frisch
vom Faß gezogen, wird in Stein- oder Zinnkrügen kredenzt. Im Winter brennt
ein großes Kohlenfeuer in der Schankstube. Es ist die Versammlungsstätte der
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Von
ROLLAND KENNEY
Es gibt nur Pubs und sogenannte Pubs.
Reiche Kriegsgewinnler im Piccadilly sprechen von einem „Pub um die
Ecke" und meinen damit die „American Bar" des nächstgelegenen Weltstadtluxus-
hotels. Flotte Mädchen mit kurzen
Röcken sprechen renommierend von
dem „drink", den sie soeben in einem
„Pub" eingenommen haben. Und der
„drink" war nur ein Schablonen-
Cocktail des Hotels, in dem sie woh-
nen. Die American Bar und das
Westend-Hotel haben ebensoviel
Zwangs- oder Wahlverwandtschaft
mit dem englischen Pub wie der
Cocktail mit unserem bitteren dün-
nen hellen Bier. Die American Bar
bleibt eine verdammte American Bar,
und einem Westendhotel soll man
aus dem Wege gehen. Und der Pub
ist eben ein Pub.
Pubs sind nicht einander gleich.
Manche sind schmutzig, sind nur
Schankstätten, die Besucher sind
krakehlerisch, verschlossen und lang-
weilig. Es singt nichts in ihrem
Herzen. Sie schreien und sie fluchen,
und die Geschichten, die sie erzählen,
sind nur schmutzig.
Der gute alte echte Pub hängt mit
einem dünnen Seidenfaden an seiner
nicht weniger alten Tradition. Im
lieben alten Pub stehen lange hell-
gescheuerte Eichentische, bequeme
Bänke, dreibeinige Stühle, Sessel a geschnitztem Holz. Alles ist sauber.
Der Fußboden mag aus Fliesen bestehen, aber diese Fliesen sind gewaschen
und mit Sand bestreut. Die Steine im Herd und auf der Türschwelle sind
mit Kalkmilch geweißt, und manchmal steht auch noch ein Spucknapf in
einer Ecke. Kupferne Maßgefäße hängen über dem Schanktisch, das Bier, frisch
vom Faß gezogen, wird in Stein- oder Zinnkrügen kredenzt. Im Winter brennt
ein großes Kohlenfeuer in der Schankstube. Es ist die Versammlungsstätte der
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