Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 10.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0997
DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:Porteño: Irigoyen und Argentinien
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Karl Holtz
recht reell. Doch er ist groß im Schuldenmachen wie alle Spieler, und der Argen-
tinier spielt viel. Dem Staat, den Banken, allen großen Instituten gegenüber hat
er aber eine andere Moral. Schlimmer noch ist das Fehlen der Ehrlichkeit bei
ganzen Berufen. Es bestiehlt der Journalist, wenn wir von ein paar Zeitungen und
Zeitschriften absehen, die Presse des Auslandes. Jedes interessante Bild, jede nette
Chronik wird nachgedruckt. Jedes Buch, dessen Herausgabe Interesse erwecken
könnte, wird übersetzt und frisch-frei verlegt. Der Autor wird nicht einmal
benachrichtigt (Erich Maria Remarque weiß sicher nichts davon, daß hier in der
gestohlenen spanischen Übersetzung mehr als 100000 Exemplare seines Kriegs-
buches nachgedruckt wurden). Noch weniger denkt man daran, beim Abdruck
eine Quelle anzugeben. Man abonniert auf ein Dutzend Zeitschriften, ein paar
Sonntagsausgaben der nordamerikanischen Kolosse. Und damit werden ganze
Zeitschriften zusammengesetzt. Es stehlen die Theaterautoren und Besitzer der
Revuebühnen. Sie fahren eigens nach Paris, um die letzten Schlager zu kopieren,
und wenn zwei dasselbe taten, dann verklagen sie einander um das Erstlingsrecht
am Raube. Es stehlen, um sich dem Milieu recht anzupassen, die großen auslän-
dischen Gesellschaften, die ihre Monopolstellung ausnützen, und die das können
dank ihren argentinischen Rechtsanwälten, dank ihren argentinischen Lokal-
direktoren und dank der Weitherzigkeit so mancher Parlamentarier und Stadt-
verordneten. Aber vor allem stehlen die Beamten des Staates, der Provinzen, und
der Stadtbehörden, daß einem das Herz im Leibe lacht. Kein Tag ohne Defrau-
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