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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Vogl, Frank: Luise, Königin von Preußen: wie sie nicht in den Lehrbüchern steht
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0039
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Luise, Königin von Preußen,
wie sie nicht in den Lehrbüchern steht
Von
Dr. Frank Vogl
■it dreien ihrer elf Geschwister nur entrann Luise, Prinzessin von Mecklen-
burg-Strelitz, dem naheliegenden Schicksal, als unbedeutender Säugling
oder doch in frühen Jahren zu sterben. Unter diesen elf Kindern war Luise in
der Reihenfolge das sechste, was sie jedoch nicht hinderte, mit ihrer Lieblings-
schwester Friederike zusammen ein hübsches Mädchen zu werden und gar,
Friederike übertreffend, am meisten von sich reden zu machen. Luise war zunächst
nichts mehr als ein hübsches Mädchen, schelmisch, launisch, kokett, voll Über-
mut und ohne adlige Hemmungen. Sie war eine kleine belanglose Prinzessin,
aber zu klug, um der Etikette nicht ein Schnippchen zu schlagen. Dieses Schnipp-
chen reicht bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein, das Luise abwechselnd
als Vorbild einer deutschen Mutter oder als Muster einer Intrigantin und
politischen Frau anspricht.
Friedrich Wilhelm, preußischer Kronprinz und nachmaliger dritter König
dieses Namens, war ein gefühlvoller und gelegentlich eigensinniger Prinz des
alten Regimes und bei aller Liebe zu Luise ein hölzerner Pedant. Wenn es
wahr ist, daß die Kinder einer Ehe immer dem nachschlagen, der in der Liebe
das Regiment führt, so müssen nicht nur der Kronprinz, sondern sämtliche
Kinder Friedrich Wilhelms III. auf ihre Mutter gekommen sein.
Friedrich Wilhelm liebte die kleine Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz.
Und da Luise nichts dagegen hatte, preußische Königin zu werden, außerdem
in ihrem siebzehnjährigen Kindergemüt dem Prinzen auch recht herzlich zugetan
war, so wurden sie Mann und Frau. Der königliche Vater, vorschriftsmäßig
um seine Meinung gefragt, hatte gegen die Kronprinzessin ebensowenig ein-
zuwenden wie er zu ihren Gunsten hätte sprechen mögen. Um das Jahr 1800
schien demnach eine freundlich wärmende Sonne auf das Haus Brandenburg.
Im Jahre 1802 kam der russische Kaiser Alexander, der soeben seinem er-
mordeten Vater auf den Thron gefolgt war, den preußischen König und seine
schöne Gattin zu besuchen. Luise schlug vor, dem hohen Gast bis Tilsit entgegen-
zureisen, worin Friedrich Wilhelm einwilligte. Der Hof wurde in dem Haus des
dänischen Konsuls installiert, und hierselbst erwartete die parvenierte Königin
mit der Grandezza alten spanischen Adels den russischen Zaren. Der König ritt
dem Gast bis vor das triumphal geschmückte Stadttor entgegen und führte,
ebenso romantisch wie pedantisch, außer einem gesattelten Pferde eine acht-
spännige Staatskarosse mit sich. Jedoch der Kaiser ritt. Er wußte, wie sich ein
Mann von seiner günstigsten Seite zu zeigen hat. Man hatte ihm überdies von
der preußischen Königin genügend erzählt, daß er sich Mühe geben konnte,
einen guten Eindruck zu machen. Der russische Kaiser wollte der vormaligen
Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz heldisch kommen.

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