B. BÜRGERLICHE BERUFE
a) Arzte. Ein wesentlicher Vorteil, gut gewachsen zu sein. Ansonsten: Ärzte sind
Kummer gewöhnt. Man sei möglichst nicht seine Patientin. In dieser Beziehung hat
ein Arzt seine Grundsätze — warum es sich und ihm unnütz erschweren? Ferner:
Sauerbruch ablehnen, Bier ablehnen, Freud ironisieren (bei Psychoanalytikern:
Alfred Adler beschimpfen). Koch, Semmelweiß, Billroth anerkennen. (Weil die ja
tot sind.) Sich ja nicht mit medizinischen Fachausdrücken lächerlich machen. Ihn
aber bedauern, daß er auf eine praktische Ausübung seines Berufes angewiesen ist,
wo er doch von Kopf bis Fuß für rein wissenschaftliche Arbeit prädestiniert ist.
b) Rechtsanwälte. Sind als verhinderte Literaten zu behandeln. Man lasse sich ihre
Dramen und Romane vorlesen. Strafanwälte beglückwünsche man ununterbrochen
zu ihren herrlichen Plädoyers. Zivilanwälte beglückwünsche man zu ihrer meist
unveröffentlichten (aber ganz gewiß vorhandenen) schriftstellerischen Produktion.
c) Ingenieure. Man lasse sich jeden Mechanismus, vom Fahrrad angefangen,
genau erklären. Es wirkt sehr nett, wenn man hilf und fassungslos staunend vor
seinen komplizierten Berechnungen steht. Frauliche Unwissenheit wirkt bei einem
Ingenieur stets kleidsam. Jedoch empfiehlt sich die Vertrautheit mit dem Auto.
d) Kaufleute. Kaufleute wollten eigentlich „was andres werden", Kaufleute
sind zuweilen gern lyrisch und haben ihren Beruf verfehlt. Was nicht hindert, daß
sie an ihrem Beruf hängen wie die Kletten. Man bewundere ihr Auto und bemerke
nicht, wenn es geliehen ist. Man habe einen ehemaligen General als Vater oder
einen, der sein Millionenvermögen in der Inflation verloren hat. Man möchte
gern seine Mutter kennen lernen und ist „überhaupt nicht modern" — man wählt
deutsche Volkspartei. Sicher ist sicher. Kaufleute sind meistens konservativ. Man
kann unbesorgt seine Angestellte sein — er hat nicht die Hemmungen eines Arztes
bei seiner Patientin. Allein mit ihm zusammen Überstunden machen, bietet sogar
äußerst günstige Chancen.
e) Beamte. Beamte haben vielfach Grundsätze und eine etwas festgefrorerne
Moral. Man richte sich nicht danach. Im Gegenteil. Beamte sind im allgemeinen
keine schwierigen Fälle. Man lebe sich nicht etwa in ihren Beruf und ihre An^
schauungen hinein — man sei der augenfälligste Kontrast ihres Durchschnitts^
daseins. Man tue alles, was sie ablehnen — es zieht. Beamte sind sinnliche Naturen
und auch poetisch — aber doch noch mehr sinnlich. Mit dem Lippenstift in der
Hand ist man noch kein Vamp. Aber mit blaugeschminkten Augenlidern, bißchen
mondäner Aufmachung, gut sitzenden Tramastrümpfen und leicht gewagten
Gesten kann man sich auch heute noch einem Beamten gegenüber den Hauch
anziehender Verderbtheit geben. Man sei in dem Stadium, wo man so eben grade
noch gerettet werden kann. Beamte retten sehr gern.
C. NABOBS. (Gibt es noch welche ?) Geld hat einem gleichgültig zu sein, der Nabob
auch — „man will ihn garnicht" —. Nabobs sind mißtrauisch. Ein gutes Rezept:
man tue, als halte man ihn für einen Hochstapler und armen Schlucker — und
was man an ihm bewundert, sind seine rein männlichen Reize und Vorzüge. Im
ersten Stadium der Bekanntschaft weise man jedes Geschenk zurück.
III. Dieses Rezept ist unvollkommen und versagt vollständig, wenn die letzte
individuelle Behandlung fehlt. Es gibt nur eine Regel, die unter allen Umständen
zu befolgen ist: selbst nicht verliebt sein, denn dann macht man sicher alles falsch.
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a) Arzte. Ein wesentlicher Vorteil, gut gewachsen zu sein. Ansonsten: Ärzte sind
Kummer gewöhnt. Man sei möglichst nicht seine Patientin. In dieser Beziehung hat
ein Arzt seine Grundsätze — warum es sich und ihm unnütz erschweren? Ferner:
Sauerbruch ablehnen, Bier ablehnen, Freud ironisieren (bei Psychoanalytikern:
Alfred Adler beschimpfen). Koch, Semmelweiß, Billroth anerkennen. (Weil die ja
tot sind.) Sich ja nicht mit medizinischen Fachausdrücken lächerlich machen. Ihn
aber bedauern, daß er auf eine praktische Ausübung seines Berufes angewiesen ist,
wo er doch von Kopf bis Fuß für rein wissenschaftliche Arbeit prädestiniert ist.
b) Rechtsanwälte. Sind als verhinderte Literaten zu behandeln. Man lasse sich ihre
Dramen und Romane vorlesen. Strafanwälte beglückwünsche man ununterbrochen
zu ihren herrlichen Plädoyers. Zivilanwälte beglückwünsche man zu ihrer meist
unveröffentlichten (aber ganz gewiß vorhandenen) schriftstellerischen Produktion.
c) Ingenieure. Man lasse sich jeden Mechanismus, vom Fahrrad angefangen,
genau erklären. Es wirkt sehr nett, wenn man hilf und fassungslos staunend vor
seinen komplizierten Berechnungen steht. Frauliche Unwissenheit wirkt bei einem
Ingenieur stets kleidsam. Jedoch empfiehlt sich die Vertrautheit mit dem Auto.
d) Kaufleute. Kaufleute wollten eigentlich „was andres werden", Kaufleute
sind zuweilen gern lyrisch und haben ihren Beruf verfehlt. Was nicht hindert, daß
sie an ihrem Beruf hängen wie die Kletten. Man bewundere ihr Auto und bemerke
nicht, wenn es geliehen ist. Man habe einen ehemaligen General als Vater oder
einen, der sein Millionenvermögen in der Inflation verloren hat. Man möchte
gern seine Mutter kennen lernen und ist „überhaupt nicht modern" — man wählt
deutsche Volkspartei. Sicher ist sicher. Kaufleute sind meistens konservativ. Man
kann unbesorgt seine Angestellte sein — er hat nicht die Hemmungen eines Arztes
bei seiner Patientin. Allein mit ihm zusammen Überstunden machen, bietet sogar
äußerst günstige Chancen.
e) Beamte. Beamte haben vielfach Grundsätze und eine etwas festgefrorerne
Moral. Man richte sich nicht danach. Im Gegenteil. Beamte sind im allgemeinen
keine schwierigen Fälle. Man lebe sich nicht etwa in ihren Beruf und ihre An^
schauungen hinein — man sei der augenfälligste Kontrast ihres Durchschnitts^
daseins. Man tue alles, was sie ablehnen — es zieht. Beamte sind sinnliche Naturen
und auch poetisch — aber doch noch mehr sinnlich. Mit dem Lippenstift in der
Hand ist man noch kein Vamp. Aber mit blaugeschminkten Augenlidern, bißchen
mondäner Aufmachung, gut sitzenden Tramastrümpfen und leicht gewagten
Gesten kann man sich auch heute noch einem Beamten gegenüber den Hauch
anziehender Verderbtheit geben. Man sei in dem Stadium, wo man so eben grade
noch gerettet werden kann. Beamte retten sehr gern.
C. NABOBS. (Gibt es noch welche ?) Geld hat einem gleichgültig zu sein, der Nabob
auch — „man will ihn garnicht" —. Nabobs sind mißtrauisch. Ein gutes Rezept:
man tue, als halte man ihn für einen Hochstapler und armen Schlucker — und
was man an ihm bewundert, sind seine rein männlichen Reize und Vorzüge. Im
ersten Stadium der Bekanntschaft weise man jedes Geschenk zurück.
III. Dieses Rezept ist unvollkommen und versagt vollständig, wenn die letzte
individuelle Behandlung fehlt. Es gibt nur eine Regel, die unter allen Umständen
zu befolgen ist: selbst nicht verliebt sein, denn dann macht man sicher alles falsch.
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