Rudolf Großmann
— Ich dachte mir schon, daß seine Bilanzen der frechste Schwindel
sind . . . der Mann sah mir zu schüchtern aus !
Auf dem untersten Pfosten des Treppengeländers ruht ein kleiner hölzerner
Bär. Für ihn hat der Hausherr eine ganz besondere Schwäche. Es ist sein
Talisman. Jedesmal, wenn er aus dem Speisezimmer in sein Arbeitszimmer hinauf-
steigt, um irgendwelche entscheidende Verhandlungen zu führen, streichelt er
die Ferse des kleinen Bären. Darum ist sie wohl so glänzend und glatt. Er
ist ein wenig abergläubisch. Vielleicht bringt ihm die Berührung der Bären-
ferse Glück . . .
Er hat Wohnungen in Paris, Berlin, New York. Sie stehen ständig bereit, ihn
zu empfangen. Selbst die Blumen auf den Tischen werden täglich erneuert. In
einer fremden Stadt, in einem fernen Erdteil braucht er sich nicht erst einer
veränderten Umgebung anzupassen, er kann sich, kaum angekommen, gleich
an die Arbeit setzen. Die Berliner Wohnung am Pariser Platz, unmittelbar neben
dem Brandenburger Tor auf der Seite der französischen Botschaft, ist von spar-
tanischer Schlichtheit. Wenige Empire-Möbel stehen in jedem Raum; ein Bett,
ein Tisch, ein paar Stühle in den Schlafzimmern, ein kleiner Sekretär, ein langer
Konferenz-Tisch mit acht Stühlen, zwei Schränke in seinem Arbeitsraum. Ohne
Bilder die Wände. Ein vornehmer, betont diskreter Geschmack des Hausherrn
spricht aus diesen Räumen, die für die festlichste Repräsentation ebenso geeignet
sind wie für den anspruchslosen Gebrauch eines Passanten. In der riesigen Stock-
holmer Wohnung bewohnt er eigentlich nur das Arbeits- und das Schlafzimmer.
Im Arbeitszimmer pflegt er auch seine Mahlzeiten einzunehmen. Es kommt vor,
daß er die Galaräume unten monatelang nicht betritt.
Nur die Pariser Wohnung, in der er starb, bleibt in unfertigem Zustand. Er
kommt nicht mehr dazu, sie nach seinem Geschmack einzurichten. Die Krise
sitzt ihm schon an der Kehle. Er hat andere Sorgen.
In seinen persönlichen Bedürfnissen ist er einfach und bescheiden. Das liegt
wohl an seiner Erziehung. Die Familie war wohlhabend, der Wohlstand wuchs
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