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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Kirchhoff, Walter: Als Zeitungsmann in Amerika
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Morand, Paul: Brennende Alphabete
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0841
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das sorgfältigste ausgewählt, bunte illustrierte, komische Beilagen erhöhten die Nachfrage, wir
errichteten in New York ein Büro. Ich selbst schleppte die Zeitungen in der ersten Nacht, in der
wir unsere Kampagne dort eröffneten, von Zeitungsstand zu Zeitungsstand —; aber die mit
Gewitterschwüle lastende Depression erstickte alle Bemühungen, der Zeitung jenen Auftrieb zu
geben, wie ich es erhofft hatte. Dennoch war die Zeit für mich nicht nur lehrreich, sondern
auch voller starker Eindrücke, die zum großen Teil eine beglückende Erinnerung hinterlassen.
In den Vereinen fand ich viele Männer und Frauen, die mit bewundernswerter Zähigkeit am
Erhalten deutscher Kultur arbeiten. Vor allem waren es die Gesangvereine, die treu zum deut-
schen Lied und Wort standen. Trotzdem viele unserer deutschen Brüder dort drüben ohne Ar-
beit sind und einer sehr trüben Zukunft entgegensehen, fanden und finden viele von ihnen den
Weg zu den Vereinen und singen tapfer mit. Sie sind pünktlich zu den Proben und müssen oft
lange Wege zu Fuß zurücklegen, um mitmachen zu können. Auch ich habe im ersten Tenor
mitgesungen. Hervorragend auch die sportlichen Vereine, und kameradschaftlich die ehemaligen
Kriegsteilnehmer, die mich zu ihrem Vorsitzenden erwählten.
Es wird in Amerika — von kleinen Auswüchsen abgesehen — keine deutsche Parteipolitik
getrieben. Man sieht über den großen Teich die alte Heimat in ihrer Geschlossenheit als die ge-
liebte Mutter vieler verschiedenartiger Kinder, als die unsterbliche Empfindungswelt deutscher
Art und deutscher Kultur. Man blickt hinüber in Liebe und Anhänglichkeit, mit jenem leisen,
schmerzlichen Gefühl, das immer vorhanden ist, wenn aufrichtige Wünsche für besseres Wohl-
ergehen vorhanden sind. Aus der zwangvoll primitiven Art, dort drüben zu leben, ist der Blick
in die alte Heimat eine selbstverständliche Erholung, aus der ein jeder immer wieder Anregung
und Kraft für den weiteren Kampf des Lebens schöpft.

Brennende Alphabete
Von
Paul Morand
1762 mußte jeder New Yorker noch selber eine Laterne
vor seinem Haus anzünden.
Heute ist in der 42. Straße die ganze Nacht hindurch
herrlicher Sommermorgen.
Man könnte beinahe weiße Flanellhosen und einen Strohhut tragen.
Die Theater, Night-Clubs, Kinos und Restaurants
illuminieren ihre sämtlichen Tore;
unvorstellbare Lichtbrechungen; wunderbar farbige Regenbogen.
Über den Köpfen brüllen die Reklamen :
GILLETTE, KÖNIG DER RASIERAPPARATE...
KAUFT EUCH PRACHTMÖBEL...
ACHT TAGE IN MIAMI...
Die Wolkenkratzer verschwinden in halber Höhe,
und man sieht nur noch den Strahlenkranz ihrer Kuppeln
in bun tem Nebel verschwimmen.
Regen wird goldenes Wasser in goldener Luft.
Wie sagte doch jener General, der kürzlich
Nicaragua bombardiert hatte?
Hier sind seine Worte, in farbiger Schrift:
CHESTERFIELD-ZIGARETTEN KRATZEN NICHT IM HALSE.
(Deutsch von H. B. Wagenseil)

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