U.S.ABC
Amerika ist eine Bezeichnung, die nur in God's own Country und in Europa für die Ver-
einigten Staaten anzuwenden ist. Der Reisende, der außerdem noch Kanada oder
Lateinamerika aufsuchen will, wird sich zweckmäßigerweise merken, daß die Einwohner
von Montreal oder Buenos Aires die Monopolisierung des Namens Amerika durch die
Gegend zwischen Mexiko und Kanada übelnehmen.
Bootlegger wird in Amerika der gute Samariter genannt, der die in der Prohibitionswüste
Verdurstenden mit (alkoholreichem) Getränk versieht. Wohnt man in einem Hotel, so wende
man sich vertrauensvoll an den Bellboy, den Hotelpagen, der einem für ein paar Bucks
(Dollars) das Nötige besorgt. In der Gegend des New-Yorker Broadway erhält man die ge-
wünschten Bottles im nächsten „Delikatessen", der Barker (Ausrufer im Rundfahrtauto)
ist auch in dieser Beziehung entgegenkommend, namentlich wenn man ihn Buddy (Kamerad)
anspricht. Wenn alle Quellen ausgetrocknet sind, frage man getrost einen
Cop, zu deutsch einen Schutzmann. Der weiß am besten Bescheid, wird aber vorsichts-
halber Officer angeredet. Mit dieser Anrede dürfte der Reisende mittlerweile vertraut sein,
denn der erste Amerikaner, mit dem er auf amerikanischem Boden zu tun hat, ist der
Customs Officer, der Zollbeamte. Tips, also Trinkgelder, sollten diesem nur von Leuten an-
geboten werden, die entweder durch angeborene Nonchalance oder langjährige Übung in
der Lage sind, das unbemerkt zu tun. Unter dieser Voraussetzung und der weiteren, daß
sie in Cash (bar) sind und zwischen zwei und fünf Dollars betragen, werden sie gern ge-
nommen. Sie garantieren, daß man nach der Revision auch alles wieder in seine Koffer
hineinbekommt und Bücher wie Candide, Lady Chatterleys Lover oder die Contes drolatiques
nicht im nächsten amerikanischen Buchgeschäft neukaufen muß.
Depression ist das große Modewort des heutigen Amerikas, des Amerikas ohne Dough
(Geld vomDime, dem Zehn-Cent-Stück, bis zur Million Dollar). Wer auch heute noch Dough
für kleine Mädchen springen lassen kann, ist ein Darling, im Superlativ, also wenn er es
dauernd und dabei nur für eine bestimmte tut, ein Daddy, wofür auch die Form Sugar Daddy
gebräuchlich ist. Bezeichnungen wie Dame und Doll sollte man auf bessere weibliche Be-
kanntschaft möglichst nicht anwenden, desgleichen ist Fluchen mit Damn it verpönt. Man
gewöhne sich rechtzeitig an die gleichstarke, aber ungleich feinere Form Darn it.
Ellis Island, die Einwanderer- und Deportationsinsel, wird der Leser dieser Zeilen tot-
sicher nicht kennenlernen, es sei denn, daß er eine Leserin ist und sich auf dem Dampfer die
Feindschaft einiger alter Amerikanerinnen (Spinsters) wegen zu ausgiebigen Flirts und allzu
häufiger Mondscheinpromenaden auf dem Bootsdeck zuzieht — was zu telegrafischen De-
nunziationen führen kann. Die Elevated ist die (fürchterlich schmutzige) New-Yorker Hoch-
bahn, der Elevator aber der in jedem Haus befindliche, meist elegante Fahrstuhl. Elefanten
in Zeitungskarikaturen stellen die republikanische, Esel die demokratische Partei dar. Elche
dagegen sind eine Brüderschaft, eine Art Fastnachtsorden, ähnlich der Schlaraffia. Das
Empire State Building ist das höchste Gebäude der Welt und steht in der
Fifth Avenue, die vor Jahrzehnten einmal die vornehmste Straße der Welt war. Heute
wohnen Follies Girls und was sonst noch schön und teuer ist, in der Park Avenue. Frisco
ist eine Bezeichnung, die nur Seeleute und auch die nur in mindestens hundert Meilen Ent-
fernung vom Goldenen Horn auf San Francisco anwenden dürfen — wobei deutschen Be-
suchern dieser schönsten Stadt Amerikas noch zu raten ist, niemals vom Erdbeben, sondern
immer vom Feuer zu sprechen, das diese Stadt 1906 zerstörte. Von wegen der Ansprüche
gegen deutsche Versicherungs-Gesellschaften nämlich. Ferry heißt die Fähre, die zwischen
New York und New Jersey pendelt. Zum Commodore eines Ozeandampfers sage man
Ferry-Captain aber nur, wenn die Seekrankheit einem Selbstmordabsichten eingegeben hat.
Einen
Golddigger kann nur ein Greenhorn für einen Menschen halten, der in den Hügeln Cali-
forniens nach Nuggets gräbt. Ein Gentleman weiß, daß dieses Wesen heute ein Girl ist, das die
Hosentaschen von Babbitts als die fündigsten Stellen ansieht und in Reinkultur in Hollywood
lebt. Der Gangster ist Chicagos Geschenk an die Kulturwelt. Gin ist das Nationalgetränk
Amerikas und darf nicht mit Ginger Ale verwechselt werden. George heißen sämtliche
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Amerika ist eine Bezeichnung, die nur in God's own Country und in Europa für die Ver-
einigten Staaten anzuwenden ist. Der Reisende, der außerdem noch Kanada oder
Lateinamerika aufsuchen will, wird sich zweckmäßigerweise merken, daß die Einwohner
von Montreal oder Buenos Aires die Monopolisierung des Namens Amerika durch die
Gegend zwischen Mexiko und Kanada übelnehmen.
Bootlegger wird in Amerika der gute Samariter genannt, der die in der Prohibitionswüste
Verdurstenden mit (alkoholreichem) Getränk versieht. Wohnt man in einem Hotel, so wende
man sich vertrauensvoll an den Bellboy, den Hotelpagen, der einem für ein paar Bucks
(Dollars) das Nötige besorgt. In der Gegend des New-Yorker Broadway erhält man die ge-
wünschten Bottles im nächsten „Delikatessen", der Barker (Ausrufer im Rundfahrtauto)
ist auch in dieser Beziehung entgegenkommend, namentlich wenn man ihn Buddy (Kamerad)
anspricht. Wenn alle Quellen ausgetrocknet sind, frage man getrost einen
Cop, zu deutsch einen Schutzmann. Der weiß am besten Bescheid, wird aber vorsichts-
halber Officer angeredet. Mit dieser Anrede dürfte der Reisende mittlerweile vertraut sein,
denn der erste Amerikaner, mit dem er auf amerikanischem Boden zu tun hat, ist der
Customs Officer, der Zollbeamte. Tips, also Trinkgelder, sollten diesem nur von Leuten an-
geboten werden, die entweder durch angeborene Nonchalance oder langjährige Übung in
der Lage sind, das unbemerkt zu tun. Unter dieser Voraussetzung und der weiteren, daß
sie in Cash (bar) sind und zwischen zwei und fünf Dollars betragen, werden sie gern ge-
nommen. Sie garantieren, daß man nach der Revision auch alles wieder in seine Koffer
hineinbekommt und Bücher wie Candide, Lady Chatterleys Lover oder die Contes drolatiques
nicht im nächsten amerikanischen Buchgeschäft neukaufen muß.
Depression ist das große Modewort des heutigen Amerikas, des Amerikas ohne Dough
(Geld vomDime, dem Zehn-Cent-Stück, bis zur Million Dollar). Wer auch heute noch Dough
für kleine Mädchen springen lassen kann, ist ein Darling, im Superlativ, also wenn er es
dauernd und dabei nur für eine bestimmte tut, ein Daddy, wofür auch die Form Sugar Daddy
gebräuchlich ist. Bezeichnungen wie Dame und Doll sollte man auf bessere weibliche Be-
kanntschaft möglichst nicht anwenden, desgleichen ist Fluchen mit Damn it verpönt. Man
gewöhne sich rechtzeitig an die gleichstarke, aber ungleich feinere Form Darn it.
Ellis Island, die Einwanderer- und Deportationsinsel, wird der Leser dieser Zeilen tot-
sicher nicht kennenlernen, es sei denn, daß er eine Leserin ist und sich auf dem Dampfer die
Feindschaft einiger alter Amerikanerinnen (Spinsters) wegen zu ausgiebigen Flirts und allzu
häufiger Mondscheinpromenaden auf dem Bootsdeck zuzieht — was zu telegrafischen De-
nunziationen führen kann. Die Elevated ist die (fürchterlich schmutzige) New-Yorker Hoch-
bahn, der Elevator aber der in jedem Haus befindliche, meist elegante Fahrstuhl. Elefanten
in Zeitungskarikaturen stellen die republikanische, Esel die demokratische Partei dar. Elche
dagegen sind eine Brüderschaft, eine Art Fastnachtsorden, ähnlich der Schlaraffia. Das
Empire State Building ist das höchste Gebäude der Welt und steht in der
Fifth Avenue, die vor Jahrzehnten einmal die vornehmste Straße der Welt war. Heute
wohnen Follies Girls und was sonst noch schön und teuer ist, in der Park Avenue. Frisco
ist eine Bezeichnung, die nur Seeleute und auch die nur in mindestens hundert Meilen Ent-
fernung vom Goldenen Horn auf San Francisco anwenden dürfen — wobei deutschen Be-
suchern dieser schönsten Stadt Amerikas noch zu raten ist, niemals vom Erdbeben, sondern
immer vom Feuer zu sprechen, das diese Stadt 1906 zerstörte. Von wegen der Ansprüche
gegen deutsche Versicherungs-Gesellschaften nämlich. Ferry heißt die Fähre, die zwischen
New York und New Jersey pendelt. Zum Commodore eines Ozeandampfers sage man
Ferry-Captain aber nur, wenn die Seekrankheit einem Selbstmordabsichten eingegeben hat.
Einen
Golddigger kann nur ein Greenhorn für einen Menschen halten, der in den Hügeln Cali-
forniens nach Nuggets gräbt. Ein Gentleman weiß, daß dieses Wesen heute ein Girl ist, das die
Hosentaschen von Babbitts als die fündigsten Stellen ansieht und in Reinkultur in Hollywood
lebt. Der Gangster ist Chicagos Geschenk an die Kulturwelt. Gin ist das Nationalgetränk
Amerikas und darf nicht mit Ginger Ale verwechselt werden. George heißen sämtliche
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