Eheliche Liebe
Von
Max Brod
Lieben und nun gar: ehelich lieben — heißt nichts anderes als die Stacheln
des Ich gegen sich selbst kehren. Lieben = gegen sich selbst sein.
Es gibt kein menschliches Zusammenleben ohne Verzicht. Menschen genieren
einander. Selbstverständlich meine ich nicht, daß Menschen einander nicht auch
gegenseitig steigern. Dies ist sogar der Sinn der Liebe, seit Platons „Phaidros"
erkannt. Aber die Praxis der Liebe? Hier komme ich darauf zurück: Menschen
genieren einander.
Und, nebenbei bemerkt, je jünger, desto heftiger genieren sie einander. Da nun
Jugend und Liebe allerlei miteinander zu tun haben, begreife ich sehr gut den
Ausspruch eines Freundes, der mir an Alter und Weisheit überlegen ist — ich
wollte ihm ein junges Mädchen vorstellen, das für Liebe nicht unzugänglich
schien, und er, in ernste naturwissenschaftliche Forschungen genießerisch ver-
flochten, rief erschreckt die klassischen Worte: „Nein, lieber möchte ich auf eine
Klapperschlange treten."
Ich kannte zwei Freunde, die eine gemeinsame Ferienreise vorhatten. Vorher
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