Schritt auszuführen; gerade deshalb muß er dem Bewußtsein neben den Er-
innerungen, die für die gegenwärtige Situation keine Erleuchtung böten, auch die
Wahrnehmung derjenigen Objekte fernhalten, die uns in keiner Weise zugänglich
wären. Er ist, wenn man so sagen will, ein Filter oder Strahlenfänger. Er bewahrt
alles das in virtuellem Zustand, was, wenn es sich aktualisierte, das Handeln stören
würde. Er hilft uns, nach vorn zu sehen, im Interesse dessen, was wir zu tun haben;
dafür hindert er uns aber, bloß zum Vergnügen auch nach rechts und links zu
sehen. Auf dem ungeheuren Feld des Traums pflückt er uns ein wirkliches psycho-
logisches Leben. Kurz, unser Gehirn ist weder Schöpfer noch Bewahrer unserer
Vorstellung; es begrenzt sie nur, in der Weise, daß sie zum Handeln befähigt wird.
Es ist das Organ der Aufmerksamkeit auf das Leben. Aber daraus folgt, daß es, sei
es im Körper, sei es in dem von diesem begrenzten Bewußtsein, spezielle Vor-
richtungen geben muß, die die Aufgabe haben, der menschlichen Wahrnehmung
alle Objekte zu entziehen, die ihrer Natur nach dem menschlichen Handeln unzu-
gänglich sind. Sobald diese Vorrichtungen in Unordnung geraten, öffnet sich ein
wenig die Tür, die sie verschlossen hielten: etwas von einem „Draußen" dringt
herein, das vielleicht ein „Jenseits" ist. Mit diesen anormalen Wahrnehmungen
beschäftigt sich die „psychische Wissenschaft".
Man kann sich das Mißtrauen, dem sie begegnet, bis zu einem gewissen Grade
erklären. Als Stützpunkt nimmt sie das Zeugnis von Menschen, das immer nur
mit Vorbehalt gilt. Der Typus des Wissenschaftlers ist für uns der Physiker; seine
Haltung des legitimen Vertrauens einer Materie gegenüber, der es offenbar kein
Vergnügen macht, ihn zu täuschen, ist uns für alle Wissenschaft charakteristisch
geworden. Es fällt uns schwer, eine Forschung noch als wissenschaftlich zu be-
trachten, die von den Forschern verlangt, daß sie überall Mystifikation wittern
sollen. Ihr Mißtrauen erzeugt uns Unbehagen, und ihr Vertrauen erst recht: wir
wissen, man gewöhnt es sich schnell ab, auf der Hut zu sein; es ist ein schlüpfriger
Abhang, der von der Neugier zur Leichtgläubigkeit führt. Nochmals : so erklärt man
sich gewisse Abneigungen.
Aber man würde die strikte Ablehnung, die wirkliche Gelehrte der „psychi-
schen Forschung" entgegensetzen, nicht verstehen, wenn sie nicht deshalb er-
folgte, weil sie die berichteten Tatsachen vor allem für „unwahrscheinlich" halten;
sie würden „unmöglich" sagen, wenn sie nicht wüßten, daß es kein erdenkliches
Mittel gibt, die Unmöglichkeit irgendeiner Tatsache festzustellen; nichtsdesto-
weniger sind sie im Grunde von dieser Unmöglichkeit überzeugt. Und sie sind
davon überzeugt, weil sie eine gewisse Beziehung zwischen dem Organismus und
dem Bewußtsein, zwischen Körper und Seele für unbestreitbar und endgiltig
bewiesen halten. Wir haben aber gesehen, daß diese Beziehung rein hypothetisch
ist, daß sie nicht von der Wissenschaft bewiesen, sondern von einer Metaphysik
gefordert ist. Die Tatsachen legen eine ganz andere Hypothese nahe; und wenn
man das zugibt, dann werden die von der „psychischen Wissenschaft" notierten
Tatsachen, oder wenigstens einzelne, derart wahrscheinlich, daß man sich eher
wundern müßte, wie es so lange dauern konnte, bis man anfing, sich wissenschaft-
lich damit zu beschäftigen.
Wir wollen hier nicht auf einen Punkt zurückkommen, den wir an anderer
Stelle behandelt haben. Wir möchten lediglich sagen (um nur von dem zu sprechen,
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innerungen, die für die gegenwärtige Situation keine Erleuchtung böten, auch die
Wahrnehmung derjenigen Objekte fernhalten, die uns in keiner Weise zugänglich
wären. Er ist, wenn man so sagen will, ein Filter oder Strahlenfänger. Er bewahrt
alles das in virtuellem Zustand, was, wenn es sich aktualisierte, das Handeln stören
würde. Er hilft uns, nach vorn zu sehen, im Interesse dessen, was wir zu tun haben;
dafür hindert er uns aber, bloß zum Vergnügen auch nach rechts und links zu
sehen. Auf dem ungeheuren Feld des Traums pflückt er uns ein wirkliches psycho-
logisches Leben. Kurz, unser Gehirn ist weder Schöpfer noch Bewahrer unserer
Vorstellung; es begrenzt sie nur, in der Weise, daß sie zum Handeln befähigt wird.
Es ist das Organ der Aufmerksamkeit auf das Leben. Aber daraus folgt, daß es, sei
es im Körper, sei es in dem von diesem begrenzten Bewußtsein, spezielle Vor-
richtungen geben muß, die die Aufgabe haben, der menschlichen Wahrnehmung
alle Objekte zu entziehen, die ihrer Natur nach dem menschlichen Handeln unzu-
gänglich sind. Sobald diese Vorrichtungen in Unordnung geraten, öffnet sich ein
wenig die Tür, die sie verschlossen hielten: etwas von einem „Draußen" dringt
herein, das vielleicht ein „Jenseits" ist. Mit diesen anormalen Wahrnehmungen
beschäftigt sich die „psychische Wissenschaft".
Man kann sich das Mißtrauen, dem sie begegnet, bis zu einem gewissen Grade
erklären. Als Stützpunkt nimmt sie das Zeugnis von Menschen, das immer nur
mit Vorbehalt gilt. Der Typus des Wissenschaftlers ist für uns der Physiker; seine
Haltung des legitimen Vertrauens einer Materie gegenüber, der es offenbar kein
Vergnügen macht, ihn zu täuschen, ist uns für alle Wissenschaft charakteristisch
geworden. Es fällt uns schwer, eine Forschung noch als wissenschaftlich zu be-
trachten, die von den Forschern verlangt, daß sie überall Mystifikation wittern
sollen. Ihr Mißtrauen erzeugt uns Unbehagen, und ihr Vertrauen erst recht: wir
wissen, man gewöhnt es sich schnell ab, auf der Hut zu sein; es ist ein schlüpfriger
Abhang, der von der Neugier zur Leichtgläubigkeit führt. Nochmals : so erklärt man
sich gewisse Abneigungen.
Aber man würde die strikte Ablehnung, die wirkliche Gelehrte der „psychi-
schen Forschung" entgegensetzen, nicht verstehen, wenn sie nicht deshalb er-
folgte, weil sie die berichteten Tatsachen vor allem für „unwahrscheinlich" halten;
sie würden „unmöglich" sagen, wenn sie nicht wüßten, daß es kein erdenkliches
Mittel gibt, die Unmöglichkeit irgendeiner Tatsache festzustellen; nichtsdesto-
weniger sind sie im Grunde von dieser Unmöglichkeit überzeugt. Und sie sind
davon überzeugt, weil sie eine gewisse Beziehung zwischen dem Organismus und
dem Bewußtsein, zwischen Körper und Seele für unbestreitbar und endgiltig
bewiesen halten. Wir haben aber gesehen, daß diese Beziehung rein hypothetisch
ist, daß sie nicht von der Wissenschaft bewiesen, sondern von einer Metaphysik
gefordert ist. Die Tatsachen legen eine ganz andere Hypothese nahe; und wenn
man das zugibt, dann werden die von der „psychischen Wissenschaft" notierten
Tatsachen, oder wenigstens einzelne, derart wahrscheinlich, daß man sich eher
wundern müßte, wie es so lange dauern konnte, bis man anfing, sich wissenschaft-
lich damit zu beschäftigen.
Wir wollen hier nicht auf einen Punkt zurückkommen, den wir an anderer
Stelle behandelt haben. Wir möchten lediglich sagen (um nur von dem zu sprechen,
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